Full text: Gedanken und Erinnerungen. Zweiter Band. (2)

Conventikel bei Roon. Kreuzzeitungs-Verleumdungen. 153 
Eintritts ins Amt, 1862, civilistisch bekämpft, kritisirt und stief— 
mütterlich verkürzt wurde, und wie sie unter meiner Amtsführung 
aus der Alltäglichkeit des Garnisonlebens über Düppel, Sadowa und 
Sedan von 1864—1871 dreimal zum Einzuge in Berlin gelangte. 
Ich darf ohne Ueberhebung annehmen, daß König Wilhelm 1862 ab- 
dicirt hätte, daß die Politik, die den Ruhm der Armee gründete, 
vielleicht nicht oder nicht so, wie geschah, in's Leben getreten wäre, 
wenn ich ihre Leitung nicht übernommen hätte. Würde die Armee 
zu ihren Heldenthaten und Graf Moltke auch nur den Degen zu 
ziehn Gelegenheit erhalten haben, wenn König Wilhelm I. anders 
und durch Andre berathen worden wäre? Wohl sicher nicht, wenn 
er 1862 abdicirt hätte, weil er niemand fand, der die Gefahren 
seiner Stellung zu theilen und zu bestehn bereit war. 
IV. 
Als die Kreuzzeitung, weil ich Parlamentsherrschaft und 
Atheismus proclamirt hätte, schon am 11. Februar 1872 Fehde 
angesagt und unter Nathusius Ludom 1875 mit den sogenannten 
Aeraartikeln Perrots XK) den Verleumdungsfeldzug gegen mich eröffnet 
hatte, wandte ich mich brieflich an Amsberg, eine unfrer höchsten 
juristischen Autoritäten, und an den Justizminister mit der Frage, 
ob, wenn ich einen Strafantrag stellte, eine Verurtheilung des 
Verfassers mit Sicherheit zu erwarten sei; andernfalls würde ich 
von einem solchen abstehn, weil ein freisprechendes Erkenntniß 
meinen Gegnern neue Vorwände zu Verdächtigungen geben könnte. 
Die Antwort Beider und meines gleichfalls befragten Rechtsanwalts 
fiel dahin aus, daß die Verurtheilung wahrscheinlich, aber bei 
der vorsichtigen Fassung der Artikel nicht sicher sei. Ich hatte mir 
  
X) Dr. Perrot, Hauptmann a. D., geb. in Trier, gest. 1891, Verfasser 
national-ökonomischer Brochüren, zuletzt Kaufmann.
	        
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