Full text: Gedanken und Erinnerungen. Zweiter Band. (2)

Die Declaranten als Eideshelfer. Bruch mit Freunden. 157 
war damals längst geschwächt, nicht durch die Arbeiten, welche mir 
oblagen, aber durch das ununterbrochene Bewußtsein der Verant- 
wortlichkeit für große Ereignisse, bei denen die Zukunft des Vater- 
landes auf dem Spiele stand. Ich habe natürlich während der 
bewegten und gelegentlich stürmischen Entwicklung unfrer Politik 
nicht immer mit Sicherheit voraussehn können, ob der Weg, 
den ich einschlug, der richtige war, und doch war ich gezwungen, 
so zu handeln, als ob ich die kommenden Ereignisse und die Wir- 
kung der eignen Entschließungen auf dieselben mit voller Klarheit 
voraussehe. Die Frage, ob das eigne Augenmaß, der politische 
Instinct, ihn richtig leitet, ist ziemlich gleichgültig für einen Minister, 
dem alle Zweifel gelöst sind, sobald er durch die königliche Unter- 
schrift oder durch eine parlamentarische Mehrheit sich gedeckt fühlt, 
man könnte sagen, einen Minister katholischer Politik, der im Besitz 
der Absolution ist, und den die mehr protestantische Frage, ob er 
seine eigne Absolution hat, nicht kümmert. Für einen Minister 
aber, der seine Ehre mit der des Landes vollständig identificirt, ist 
die Ungewißheit des Erfolges einer jeden politischen Entschließung 
von aufreibender Wirkung. Man kann die politische Gestaltung 
in der Zeit, welche die Durchführung einer Maßregel bedarf, so 
wenig mit Sicherheit vorhersehn, wie das Wetter der nächsten 
Tage in unserm Klima, und muß doch seine Entschließung fassen, 
als ob man es könnte, nicht selten im Kampfe gegen alle Einflüsse, 
denen Gewicht beizulegen man gewöhnt ist, wie z. B. in Nikols-= 
burg zur Zeit der Friedensverhandlungen, wo ich die einzige Person 
war und blieb, die schließlich für das, was geschah, und für den 
Erfolg verantwortlich gemacht wurde und nach unsern Institutionen 
und Gewöhnungen auch verantwortlich war, und wo ich meine 
Entschließung im Widerspruch nicht nur mit allen Militärs, also 
mit allen Anwesenden, sondern auch mit dem Könige fassen und 
in schwerem Kampfe aufrecht halten mußte. Die Erwägung der 
Frage, ob eine Entschließung richtig sei, und ob das Festhalten und 
Durchführen des auf Grund schwacher Prämissen für richtig Er-
	        
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