158 Fünfundzwanzigstes Kapitel: Bruch mit den Conservativen.
kannten richtig sei, hat für jeden gewissenhaften und ehrliebenden
Menschen etwas Aufreibendes; es wird verstärkt durch die Thatsache,
daß lange Zeit vergeht, oft viele Jahre, bevor man in der Politik
sich selbst überzeugt, ob das Gewollte und Geschehene das Richtige
war oder nicht. Nicht die Arbeit ist das Aufreibende, die Zweifel
und Sorgen sind es und das Ehrgefühl, die Verantwortlichkeit, ohne
daß man zur Unterstützung der letztern etwas andres als die
eigne Ueberzeugung und den eignen Willen anführen kann, wie
das grade in den wichtigsten Krisen am schärfsten Platz greift.
Der Verkehr mit Andern, die man für gleichgestellt hält, er-
leichtert die Ueberwindung solcher Krisen, und wenn er plötzlich
aufhört und aus Motiven, die mehr persönlich als sachlich, mehr
mißgünstig als ehrlich, und so weit sie ehrlich, ganz banau-
sischer Natur sind, der betheiligte verantwortliche Minister plötzlich
von allen bisherigen Freunden boycottirt, als Feind behandelt, also
mit sich und seinen Erwägungen vereinsamt wird, so muß das den
Eingriff seiner amtlichen Sorgen in seine Nerven und seine Ge-
sundheit verschärfen.
VI.
Man hätte glauben sollen, daß die nationalliberale Partei,
durch deren Begünstigung ich mir das Uebelwollen meiner frühern
conservativen Parteigenossen zugezogen hatte, durch die rohen und
unwürdigen Angriffe auf meine persönliche Ehrenhaftigkeit bewogen
worden wäre, mir in der Abwehr irgendwie beizustehn, oder doch
zu erkennen zu geben, daß sie die Angriffe nicht billigte und die
Ansicht meiner Verleumder über mich nicht theilte; ich erinnere
mich aber nicht, in jener Zeit irgend einen nationalliberalen
Versuch, mir zur Hülfe zu kommen, in der Presse oder sonst
im öffentlichen Leben, wahrgenommen zu haben. Es schien im
Gegentheil, als ob im nationalliberalen Lager eine gewisse Genug-
thuung darüber herrschte, daß die conservative Partei mich angriff