Full text: Gedanken und Erinnerungen. Zweiter Band. (2)

Graf Harry Arnim. 163 
kratischen und Hofkreisen und in den Ministerien meiner Collegen, 
neben dem verstimmten Junkerthume und dessen Aera-Artikeln 
in der Kreuzzeitung, daran arbeiteten, mir das Vertrauen des 
Kaisers zu entziehn, spielte Graf Harry Arnim eine hervorragende 
Nolle. 
Am 23. August 1871 wurde er auf meinen Antrag zum Ge- 
sandten, demnächst zum Botschafter in Paris ernannt, wo ich seine 
hohe Begabung trotz seiner Fehler im Interesse des Dienstes nütz- 
lich zu verwerthen hoffte; er sah in seiner Stellung dort aber nur 
eine Stufe, von der aus er mit mehr Erfolg daran arbeiten konnte, 
mich zu beseitigen und mein Nachfolger zu werden. Er machte in 
Privatbriefen an den Kaiser geltend, daß das preußische Königs- 
haus gegenwärtig das älteste in Europa sei, das sich in ununter- 
brochner Regirung erhalten habe, und daß dem Kaiser, als dem 
doyen der Monarchen, durch diese Gnade Gottes eine Verpflichtung 
erwachse, die Legitimität und Continuität andrer alter Dynastien zu 
überwachen und zu schützen. Die Berührung dieser Saite im Ge- 
müthe des Kaisers war psychologisch richtig berechnet, und wenn 
Arnim allein ihn zu berathen gehabt hätte, so wäre es ihm viel- 
leicht gelungen, das klare und nüchterne Urtheil dieses Herrn durch 
ein künstlich gesteigertes Gefühl von angestammter Fürstenpflicht zu 
trüben. Aber er wußte nicht, daß Se. Majestät mir in seiner 
graden und ehrlichen Weise die Briefe mittheilte und dadurch Ge- 
legenheit gab, der politischen Einsicht, man könnte sagen, dem ge- 
sunden Verstande des Herrn die Schäden und Gefahren der Rath- 
schläge darzulegen, denen wir auf dem von Arnim empfohlenen 
Wege der Herstellung der Legitimität in Frankreich entgegengehn 
würden. 
Meine schriftlichen Auslassungen in diesem Sinne erlaubte der 
Kaiser später Arnimschen Schmähschriften gegenüber zu veröffent- 
lichen. In einer derselben ist Bezug darauf genommen, daß dem 
Könige bekannt sei, daß Arnims Aufrichtigkeit in maßgebenden 
Kreisen angezweifelt werde, und daß man ihn am englischen Hofe
	        
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