Full text: Gedanken und Erinnerungen. Zweiter Band. (2)

Differenz mit Goltz über Behandlung der Herzogthümerfrage. 3 
Deutschland und in Europa gekostet, und wir werden sie dadurch 
nicht wieder gewinnen, daß wir uns vom Strome treiben lassen 
in der Meinung, ihn zu lenken, sondern nur dadurch, daß wir fest 
auf eignen Füßen stehn und zuerst Großmacht, dann Bundes- 
staat sind. Das hat Oestreich zu unserm Schaden stets als richtig 
für sich anerkannt, und es wird sich von der Komödie, die es mit 
deutschen Sympathien spielt, nicht aus seinen europäischen Allianzen, 
wenn es überhaupt solche hat, herausreißen lassen. Gehn wir ihm 
zu weit, so wird es scheinbar noch eine Weile mitgehn, namentlich 
mitschreiben, aber die 20 Procent Deutsche, die es in seiner Be- 
völkerung hat, sind kein in letzter Instanz zwingendes Element, 
sich von uns wider eignes Interesse fortreißen zu lassen. Es wird 
im geeigneten Momente hinter uns zurückbleiben und seine Richtung 
in die europäische Stellung zu finden wissen, sobald wir dieselbe 
aufgeben. Die Schmerlingsche Politik, deren Seitenstück Ihnen 
als Ideal für Preußen vorschwebt, hat ihr Fiasco gemacht. Unfre 
von Ihnen im Frühjahr sehr lebhaft bekämpfte Politik hat sich in 
der polnischen Sache bewährt, die Schmerlingsche bittre Früchte 
für Oestreich getragen. Ist es denn nicht der vollständigste Sieg, 
den wir erringen konnten, daß Oestreich zwei Monate nach dem 
Reformversuch froh ist, wenn von demselben nicht mehr gesprochen 
wird, und mit uns identische Noten an seine frühern Freunde 
schreibt, mit uns seinem Schooßkinde, der Bundestags-Majorität, 
drohend erklärt, es werde sich nicht majorisiren lassen? Wir haben 
diesen Sommer erreicht, wonach wir 12 Jahre lang vergebens 
strebten, die Sprengung der Bregenzer Coalition, Oestreich hat 
unser Programm adoptirt, was es im October v. J. öffentlich ver- 
höhnte; es hat die preußische Allianz statt der Würzburger gesucht, 
empfängt seine Beihülfe von uns, und wenn wir ihm heut den 
Rücken kehren, so stürzen wir das Ministerium. Es ist noch nicht 
dagewesen, daß die Wiener Politik in diesem Maße en gros 
et en détail von Berlin aus geleitet wurde. Dabei sind wir von 
Frankreich gesucht, Fleury bietet mehr als der König mag; unfsre
	        
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