180 Sechsundzwanzigstes Kapitel: Intrigen.
seiner Amtsdauer; er hatte keine andern Interessen als die des
Kreises zu vertreten und für keine andern Wünsche als die seiner
Eingesessenen zu streben. Es liegt auf der Hand, wie nützlich eine
solche Institution nach oben und nach unten wirkte, und mit wie
geringen Mitteln an Menschen und Geld die Kreisgeschäfte be-
trieben werden konnten. Seitdem ist der Landrath ein reiner
Regirungsbeamter geworden, seine Stellung ein Durchgangsposten
für weitre Beförderung im Staatsdienste, eine Erleichterung der
Wahl zum Abgeordneten; und in der Eigenschaft des letztern wird
er, wenn er strebsam ist, seine Beziehungen nach oben als Beamter
wichtiger finden als die zu den Einsassen seines Kreises. Zugleich
sind die neugeschaffnen örtlichen Amtsvorstände nicht Organe der
Selbstverwaltung, nach Analogie der städtischen Behörden, sondern
eine unterste schreiberartig wirkende Klasse der Bürokratie ge-
worden, durch welche jede unpraktische oder müßige Anregung der
unzulänglich beschäftigten und den Realitäten des Lebens fremden
Centralbürokratie über das platte Land verbreitet wird und die
die unglücklichen Selbst-Verwalter nöthigt, Berichte und Listen zu-
sammenzustellen, um die Wißbegierde von Beamten zu befriedigen,
die mehr Zeit als Staatsgeschäfte haben. Es ist für Landwirthe
oder Industrielle nicht möglich, solchen Anforderungen im „Neben-
amte“ zu genügen. An ihre Stelle treten nothwendig mehr und
mehr remunerirte Schreiber, deren Kosten durch die Eingesessenen
aufzubringen sind und die von der höhern Bürokratie ad nutum
abhängig sind.
Als Nachfolger des Grafen Eulenburg hatte ich Rudolf von
Bennigsen in's Auge gefaßt und habe im Laufe des Jahres 1877
in Varzin zweimal, im Juli und im December, Besprechungen mit
ihm gehabt. Es fand sich dabei, daß er dem Boden unfrer Ver-
handlung eine weitre Ausdehnung zu geben suchte, als mit den
Ansichten Sr. Majestät und mit meinen eignen Auffassungen
vereinbar war. Ich wußte, daß es schon eine schwierige Aufgabe
sein würde, ihn für seine Person dem Könige annehmbar zu