186 Sechsundzwanzigstes Kapitel: Intrigen.
durch die Feindschaften am Hofe, die katholischen und weiblichen
Einflüsse daselbst waren meine Stützpunkte außerhalb der national-
liberalen Fraction schwächer geworden und bestanden allein in dem
persönlichen Verhältniß des Kaisers zu mir. Die Nationalliberalen
nahmen davon nicht etwa einen Anlaß, unfre gegenseitigen Be-
ziehungen dadurch zu stärken, daß sie mich unterstützten, sondern
machten im Gegentheil den Versuch, mich gegen meinen Willen in
das Schlepptau zu nehmen. Zu diesem Zwecke wurden Beziehungen
zu mehren meiner Collegen angeknüpft; durch die Minister Frieden-=
thal und Botho Eulenburg, welcher Letztre das Ohr meines Ver-
treters im Präsidium, des Grafen Stolberg hatte, wurden ohne
mein Wissen amtliche Verständigungen mit den Präsidien beider
Parlamente nicht nur bezüglich der Sitzungs= und Vertagungs-
fragen, sondern auch in Betreff materieller Vorlagen gegen meinen,
den Collegen bekannten Willen eingeleitet. Der Gesammtandrang
auf meine Stellung, das Streben nach Mitregentschaft oder Allein-
herrschaft an meiner Stelle, das sich in dem Plane selbständiger
Reichsminister und in den erwähnten Heimlichkeiten verrathen hatte,
trat handgreiflich zu Tage in der Conseilsitzung, die der Kronprinz
als Vertreter seines verwundeten Vaters am 5. Juni 1878 ab-
hielt, um über die Auflösung des Reichstags nach dem Nobiling-
schen Attentate zu beschließen. Die Hälfte meiner Collegen oder
mehr, jedenfalls die Majorität des Ministeriums und des Conseils,
stimmte abweichend von meinem Votum gegen die Auflösung und
machte dafür geltend, daß der vorhandene Reichstag, nachdem das
Nobilingsche Attentat auf das Hödelsche gefolgt sei, bereit sein
werde, seine jüngste Abstimmung zu ändern und der Regirung ent-
gegen zu kommen. Die Zuversicht, die meine Collegen bei dieser
Gelegenheit kundgaben, beruhte offenbar auf vertraulicher Verständi-
gung zwischen ihnen und einflußreichen Parlamentariern, während
mir gegenüber kein Einziger von den letztern auch nur eine Aus-
sprache versucht hatte. Es schien, daß man sich über die Theilung
meiner Erbschaft bereits verständigt hatte.