Full text: Gedanken und Erinnerungen. Zweiter Band. (2)

Als Vertreter des öffentlichen Interesses gegen die Ressorts. 207 
für einen von mir empfohlenen Candidaten verlangt habe, auch 
nicht für einen Briefträger. Nur der Neigung, neue eingreifende 
Gesetze oder Organisationen zu machen, der Neigung, vom grünen 
Tische aus zu reglementiren, bin ich bei meinen Collegen nicht 
selten entgegen getreten, weil ich wußte, daß, wenn nicht sie selbst, 
so doch ihre Räthe die Gesetzmacherei übertrieben, und daß so 
manche vortragende Räthe in den innern Ressorts seit dem Examen 
her Projecte in ihren Fächern haben, durch die sie die Unterthanen 
des Reiches zu beglücken suchen, sobald sie einen Chef finden, der 
darauf eingeht. 
Ungeachtet meiner Zurückhaltung ist nach meinem Ausscheiden 
bei der Mehrheit meiner Geschäftsfreunde ein Gefühl wie der Er— 
leichterung von einem Drucke wahrgenommen worden, das in vielen 
Fällen eben aus dem Widerstande zu erklären ist, den ich dem über- 
wuchernden Triebe zu unnöthigen Eingriffen in den Bestand unfrer 
Gesetzgebung geleistet hatte. Auf dem Gebiete der Schule hatte ich 
dauernd, aber ohne Erfolg die Theorie bekämpft, daß der Unter- 
richtsminister ohne Gesetz und ohne sich an das vorhandene Schul- 
vermögen zu binden, auf dem Verwaltungswege und ohne die 
Leistungsfähigkeit zu beachten, bestimmen könne, was jede Gemeinde 
zur Schule beizutragen habe. Diese in keinem andern Verwaltungs- 
zweige vorhandene Machtvollkommenheit, deren Anwendung in 
manchen Fällen so weit getrieben wurde, daß die Gemeinden existenz- 
unfähig wurden, beruhte nicht auf Gesetz, sondern auf einem Re- 
script des frühern Cultusministers von Raumer, das das Schulbudget 
von einer Verfügung der betreffenden Abtheilung der Regirungen, 
in letzter Instanz des Ministers, abhängig machte. Das Bestreben, 
diesen Ministerabsolutismus durch Gesetz zu consolidiren, war für 
mich ein Hinderniß, den gelegentlich mir vorgelegten Schulgesetz- 
entwürfen meine Zustimmung zu geben. 
Auf dem Gebiete der Finanzen war meine Zustimmung zu 
einer Steuerreform jederzeit dem Verlangen untergeordnet, die- 
jenigen directen Steuern, die von dem Vermögen des Zahlenden
	        
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