Als Vertreter des öffentlichen Interesses gegen die Ressorts. 209
Was die Reichsämter betrifft, so habe ich mit dem Schatz-
amte stets gute Fühlung gehabt, zur Zeit von Scholz wie von
Maltzahn. Die Bestimmung dieses Amtes hatte keine größere Trag-
weite als diejenige, dem Reichskanzler in seinen Erörterungen und
Verständigungen mit dem preußischen Minister der Finanzen Bei-
stand und technisch geschulte Arbeitskräfte zu stellen. Die entscheidende
Stelle in Finanzfragen blieb der preußische Finanzminister und das
Staatsministerium. Der Charakter beider Herrn gestattete, Mei-
nungsverschiedenheiten in ehrlicher Erörterung und ohne Verstim-
mung zu erledigen. Die neuerdings in der Presse vertretne und
thatsächlich gehandhabte Auffassung von der Möglichkeit einer von
einander unabhängigen Finanzpolitik des Reichskanzlers oder gar
des ihm untergebnen Reichsschatzamtes einerseits und des preußi-
schen Finanzministers andrerseits galt zu meiner Zeit als ver-
fassungswidrig. Divergenzen beider Stellen fanden ihre Lösung
in collegialischen Berathungen des Staatsministeriums, dem der
Kanzler als auswärtiger Minister angehörte, und ohne dessen vor-
ausgesetztes oder ausgesprochnes Einverständniß er nicht berechtigt
ist, im Bundesrath die preußischen Stimmen abzugeben oder eine
Gesetzesvorlage zu machen.
Weniger durchsichtig waren für mich die Beziehungen zu dem
Reichspostamte. Während des französischen Krieges traten Erschei-
nungen hervor, die mich hart an den Bruch mit Herrn von Stephan
brachten, aber ich war schon damals von seiner ungewöhnlichen
Begabung, nicht für sein Fach allein, so überzeugt, daß ich
ihn gegen die Ungnade Sr. Maojestät mit Erfolg vertrat. Herr
von Stephan hatte an seine Untergebenen ein amtliches Circular
gerichtet, in dem er die Besorgung von gewissen Blättern für alle
Armeelazarethe in Frankreich anbefahl und zur Motivirung dieses
Befehls auf Wünsche J. K. Hoheit der Kronprinzessin Bezug nahm.
Wie weit er dazu berechtigt war, weiß ich nicht; wer aber den
alten Herrn kannte, wird sich seine Stimmung denken können, als
Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II.= 14