Achtundzwanzigstes Kapitel.
Berliner Congreß.
J.
Im Herbst 1876 erhielt ich in Varzin ein chiffrirtes Tele—
gramm unsres Militärbevollmächtigten, des Generals von Werder
aus Livadia, durch welches er im Auftrage des Kaisers Ale—
xander eine Aeußerung darüber verlangte, ob wir neutral bleiben
würden, wenn Rußland mit Oestreich in Krieg geriethe. Bei der
Beantwortung desselben hatte ich zu erwägen, daß Werders Chiffre
innerhalb des Kaiserlichen Palais nicht unzugänglich sein werde,
hatte ich doch die Erfahrung gemacht, daß selbst in unserm Gesand—
schaftshause in Petersburg durch keinen künstlichen Verschluß, sondern
nur durch häufigen Wechsel der Chiffre das Geheimniß derselben zu
bewahren war). Ich konnte meiner Ueberzeugung nach nichts nach
Livadia telegraphiren, was nicht auch zur Kenntniß des Kaisers
kommen würde. Daß eine solche Frage überhaupt auf solchem
Wege gestellt werden konnte, hatte schon eine Verschiebung der
geschäftlichen Traditionen zur Voraussetzung. Wenn ein Cabinet
Fragen der Art an ein andres stellen will, so ist der correcte Weg
eine vertrauliche mündliche Sondirung durch den eignen Botschafter
oder von Souverän zu Souverän bei persönlicher Begegnung. Daß
) S. Bd. 1 228.