214 Achtundzwanzigstes Kapitel: Berliner Congreß.
werde, ohne sich dessen erwehren zu können, telegraphisch an das
kaiserliche Hoflager zu berufen und ihm die Uebernahme von poli—
tischen Aufträgen zu untersagen, als eine Leistung, die dem russischen,
aber nicht dem deutschen Dienste angehöre. Der Kaiser ging auf
meinen Wunsch nicht ein, und da Kaiser Alexander endlich auf
Grund unsrer persönlichen Beziehungen die Aussprache meiner eignen
Meinung unter Betheiligung der russischen Botschaft in Berlin von
mir verlangte, so war es mir nicht länger möglich, der Beantwortung
der indiscreten Frage auszuweichen. Ich ersuchte den Botschafter
von Schweinitz, der am Ende seines Urlaubs stand, mich vor der
Rückkehr nach St. Petersburg in Varzin zu besuchen, um meine
Instruction entgegenzunehmen. Vom 11. bis 13. October war
Schweinitz mein Gast. Ich beauftragte ihn, sich sobald als mög-
lich über Petersburg an das Hoflager des Kaisers Alexander nach
Livadia zu begeben. Der Sinn meiner Instruction für Herrn
von Schweinitz war, unser erstes Bedürfniß sei, die Freundschaft
zwischen den großen Monarchien zu erhalten, welche der Revolution
gegenüber mehr zu verlieren, als im Kampfe unter einander zu ge-
winnen hätten. Wenn dies zu unserm Schmerze zwischen Rußland
und Oestreich nicht möglich sei, so könnten wir zwar ertragen,
daß unfre Freunde gegen einander Schlachten verlören oder ge-
wönnen, aber nicht, daß einer von beiden so schwer verwundet
und geschädigt werde, daß seine Stellung als unabhängige und
in Europa mitredende Großmacht gesährdet würde. Diese unsre
Erklärung, welche von uns in zweifelsfreier Deutlichkeit zu er-
zwingen Gortschakow seinen Herrn bewogen hatte, um ihm den
platonischen Charakter unfrer Liebe zu beweisen, hatte zur Folge,
daß das russische Gewitter von Ostgalizien sich nach dem Balkan
hin verzog, — und daß Rußland anstatt der mit uns abgebrochnen
Verhandlungen dergleichen mit Oestreich, so viel ich mich erinnere,
zunächst in Pest, im Sinne der Abmachungen von Reichstadt,
wo die Kaiser Alexander und Franz Joseph am 8. Juli 1876
zusammengetroffen waren, einleitete unter dem Verlangen, sie vor