220 Achtundzwanzigstes Kapitel: Berliner Congreß.
Angesichts der Haltung der russischen Presse, der steigenden
Erregtheit der großen Massen des Volkes, der Truppenanhäufung
unmittelbar längs der preußischen Grenzen wäre es leichtfertig ge-
wesen, den Ernst der Situation und der kaiserlichen Drohung gegen
den früher so verehrten Freund zu bezweifeln. Daß Kaiser Wilhelm
auf den Rath des Feldmarschalls von Manteuffel am 3. September
1879 nach Alexandrowo ging, um die schriftlichen Drohungen seines
Neffen mündlich begütigend zu beantworten, widerstrebte meinem
Gefühle und meinem Urtheil über das, was noth thue.
III.
Betrachtungen analog denen, welche den Versuch widerriethen,
die complicirten Schwierigkeiten von 1863 auf dem Wege eines
russischen Bündnisses zu lösen ½, standen in der zweiten Hälfte der
siebziger Jahre ebenfalls einer stärkern Accentuirung der russischen
Freundschaft ohne Oestreich entgegen. Ich weiß nicht, in wie weit
Graf Peter Schuwalow vor Beginn des letzten Balkankrieges und
während des Congresses ausdrücklich beauftragt war, die Frage eines
deutsch-russischen Bündnisses zu besprechen; er war nicht in Berlin
beglaubigt, sondern in London, seine persönlichen Beziehungen zu
mir gestatteten ihm aber, sowohl bei seinen vorübergehenden Be-
rührungen Berlins auf der Durchreise wie während des Congresses
mit mir alle Eventualitäten rückhaltlos zu besprechen.
Anfang Februar 1877 hatte ich von ihm ein längeres Schrei-
ben aus London erhalten; meine Antwort und seine Erwiderung
darauf lasse ich folgen:
Berlin, le 15 février 1877.
Cher Comte,
Je vous remercie des bonnes paroles due vous avez bien.
voulu m'écrire et je suis bien obligé au Cte. Munster pour
S. o. S. 62 f.