Full text: Gedanken und Erinnerungen. Zweiter Band. (2)

Schwierigkeiten eines deutsch-russischen Bündnisses. 225 
niß einschränkte und allen übrigen Staaten den russischen Wünschen 
entsprechend absagte, Rußland gegenüber in eine ungleiche Stellung 
gerathen könne, weil die geographische Lage und die autokratische 
Verfassung Rußlands diesem für das Aufgeben des Bündnisses 
stets mehr Leichtigkeit gewähre, als wir haben würden, und weil 
das Festhalten an der alten Tradition des preußisch-russischen Bundes 
doch immer nur auf zwei Augen stehe, d. h. von dem Gemüths- 
leben des jedesmaligen Kaisers von Rußland abhänge. Unfre Be- 
ziehungen zu Rußland beruhten wesentlich auf dem persönlichen 
Verhältniß beider Monarchen zu einander und auf dessen richtiger 
Pflege durch höfische und diplomatische Geschicklichkeit, respective 
Gesinnung der beiderseitigen Vertreter. Wir hätten das Beispiel 
gehabt, daß bei ziemlich hülflosen preußischen Gesandten in Peters- 
burg durch die Geschicklichkeit von Militärbevollmächtigten, wie 
der Generale von Rauch und Graf Münster, die gegenseitigen 
Beziehungen intim geblieben wären, trotz mancher berechtigten Em- 
pfindlichkeit auf beiden Seiten. Wir hätten ebenso erlebt, daß jäh- 
zornige oder reizbare Vertreter Rußlands, wie Budberg und Oubril, 
durch ihre Haltung in Berlin und durch ihre Berichterstattung, wenn 
sie persönlich verstimmt waren, Eindrücke erzeugten, welche auf die 
gegenseitigen Gesammtbeziehungen zweier Völker von einundeinhalb 
Hundert Millionen gefährlich zurückwirken konnten. 
Ich erinnere mich, daß Fürst Gortschakow mir, als ich in 
Petersburg Gesandter war und seines unbegrenzten Vertrauens 
mich erfreute, mitunter, wenn er mich warten ließ, noch un- 
erbrochne Berliner Berichte zu lesen gab, bevor er selbst sie durch- 
gesehn hatte. Ich war zuweilen erstaunt, daraus zu entnehmen, 
mit welchem Uebelwollen mein früherer Freund Budberg seiner 
Empfindlichkeit über irgend ein Erlebniß in der Gesellschaft oder 
auch nur dem Bedürfniß, einen witzigen Sarkasmus über Berliner 
Verhältnisse am Hofe und in dem Ministerium anzubringen, die 
Aufgabe der Erhaltung der gegenwärtigen Beziehungen unter- 
Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II. 15
	        
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