Popularität eines Bundes mit Oestreich. 237
Gesammtreiches entgegen standen. Es gab also auf unserm parla-
mentarischen Gebiete außer der socialdemokratischen Partei, deren
Zustimmung überhaupt zu keiner Art von Regirungspolitik zu haben
war, keinen Widerspruch gegen und sehr viel Vorliebe für das
Bündniß mit Oestreich.
Auch die Traditionen des Völkerrechts waren von den Zeiten
des Römischen Reiches deutscher Nation und des Deutschen Bundes
her theoretisch darauf zugeschnitten, daß zwischen dem gesammten
Deutschland und der habsburgischen Monarchie eine staatsrechtliche
Verbindung bestand, durch welche diese mitteleuropäischen Länder-
massen theoretisch zum gegenseitigen Beistande verpflichtet erschienen.
Praktisch allerdings ist ihre politische Zusammengehörigkeit in der
Vorgeschichte nur selten zum Ausdruck gekommen; aber man konnte
Europa und namentlich Rußland gegenüber mit Recht geltend
machen, daß ein dauernder Bund zwischen Oestreich und dem
heutigen Deutschen Reiche völkerrechtlich nichts Neues sei. Diese
Fragen der Popularität in Deutschland und des Völkerrechts standen
jedoch für mich in zweiter Linie und waren zu erwägen als Hülfs-
mittel für die eventuelle Ausführung. Im Vordergrunde stand die
Frage, ob der Durchführung des Gedankens sofort näher zu treten
und mit welchem Maße von Entschiedenheit der voraussichtliche
Widerstand des Kaisers Wilhelm aus Gründen, die weniger der
Politik als dem Gemüthsleben angehörten, zu bekämpfen sein würde.
Mir erschienen die Gründe, die in der politischen Situation uns
auf ein östreichisches Bündniß hinwiesen, so zwingender Natur, daß
ich nach einem solchen auch gegen den Widerstand unfrer öffent-
lichen Meinung gestrebt haben würde.
IV.
Als Kaiser Wilhelm sich nach Alexandrowo begab (3. Sep-
tember), hatte ich schon in Gastein eine Begegnung mit dem Grafen
Andrassy eingeleitet, die am 27. und 28. August stattfand.