238 Neunundzwanzigstes Kapitel: Der Dreibund.
Nachdem ich ihm die Lage dargelegt hatte, zog er daraus die
Folgerung mit den Worten: „Gegen ein russisch-französisches Bündniß
ist der natürliche Gegenzug ein östreichisch-deutsches.“ Ich erwiderte,
daß er damit die Frage formulirt habe, zu deren Besprechung ich
unsre Zusammenkunft angeregt hätte, und wir kamen leicht zu einer
vorläufigen Verständigung über ein rein defensives Bündniß gegen
einen russischen Angriff auf einen von beiden Theilen, dagegen fand
mein Vorschlag, das Bündniß auch auf andre als russische Angriffe
auszudehnen, bei dem Grafen keinen Anklang.
Nachdem ich nicht ohne Schwierigkeit die Ermächtigung Sr.
Majestät dazu erlangt hatte, in amtliche Verhandlungen einzutreten,
nahm ich zu dem Zwecke meinen Rückweg über Wien.
Vor meiner Abreise von Gastein richtete ich am 10. September
folgendes Schreiben an den König von Baiern:
„Gastein, den 10. September 1879.
Eure Majestät haben früher die Gnade gehabt, Allerhöchstihre
Zufriedenheit mit den Bestrebungen auszusprechen, welche meinerseits
dahin gerichtet waren, dem Deutschen Reiche Frieden und Freund-
schaft mit den beiden großen Nachbarreichen Oestreich und Ruß-
land gleichmäßig zu erhalten. Im Laufe der letzten drei Jahre ist
diese Aufgabe um so schwieriger geworden, je mehr die russische
Politik dem Einflusse der theils kriegerischen, theils revolutionären
Tendenzen des Panslavismus sich hingegeben hat. Schon im Jahre
1876 wurde uns von Livadia aus wiederholentlich die Forderung
gestellt, uns darüber in verbindlicher Form zu erklären, ob das
Deutsche Reich in einem Kriege zwischen Rußland und Oestreich
neutral bleiben werde. Es gelang nicht, dieser Erklärung aus-
zuweichen, und das russische Kriegswetter zog einstweilen nach dem
Balkan ab. Die auch nach dem Congresse noch immer großen Er-
folge, welche die russische Politik infolge dieses Krieges gewonnen
hat, haben leider die Erregtheit der russischen Politik nicht in dem
Maße abgekühlt, wie es für das friedliebende Europa wünschens-