Full text: Gedanken und Erinnerungen. Zweiter Band. (2)

248 Neunundzwanzigstes Kapitel: Der Dreibund. 
Reise nach Baden-Baden zu machen, so übernahm sie Graf 
Stolberg; er führte die Verhandlungen, wenn auch unter starkem 
Widerstreben Sr. Majestät, glücklich zu Ende. Der Kaiser war 
von den politischen Argumenten nicht überzeugt worden, sondern 
ertheilte das Versprechen, den Vertrag zu ratificiren, nur aus 
Abneigung gegen einen Personenwechsel in dem Ministerium. Der 
Kronprinz war von Hause aus für das östreichische Bündniß 
lebhaft eingenommen, aber ohne Einfluß auf seinen Vater. 
Der Kaiser hielt es in seinem ritterlichen Sinne für erforder- 
lich, den Kaiser von Rußland vertraulich darüber zu verständigen, 
daß er, wenn er eine der beiden Nachbarmächte angriffe, beide 
gegen sich haben werde, damit Kaiser Alexander nicht etwa irrthüm- 
lich annehme, Oestreich allein angreifen zu können. Mir schien 
diese Besorgniß ungegründet, da das Petersburger Cabinet schon 
aus unfrer Beantwortung der aus Livadia an uns gerichteten Frage 
wissen mußte, daß wir Oestreich nicht würden fallen lassen, durch 
unsern Vertrag mit Oestreich also eine neue Situation nicht ge- 
schaffen, nur die vorhandene legalisirt wurde. 
VI. 
Eine Erneuerung der Kaunitzschen Coalition wäre für Deutsch- 
land, wenn es in sich geschlossen einig bleibt und seine Kriege 
geschickt geführt werden, zwar keine verzweifelte, aber doch eine sehr 
ernste Constellation, welche nach Möglichkeit zu verhüten Aufgabe 
unsrer auswärtigen Politik sein muß. Wenn die geeinte östreichisch- 
deutsche Macht in der Festigkeit ihres Zusammenhangs und in der 
Einheitlichkeit ihrer Führung ebenso gesichert wäre wie die russische 
und die französische, jede für sich betrachtet, es sind, so würde ich, 
auch ohne daß Italien der Dritte im Bunde wäre, den gleich- 
zeitigen Angriff unfrer beiden großen Nachbarreiche nicht für lebens- 
gefährlich halten. Wenn aber in Oestreich antideutsche Richtungen
	        
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