268 Dreißigstes Kapitel: Zukünftige Politik Rußlands.
Gelegenheiten, zur Anschauung zu bringen, daß wir befriedigt und
friedliebend sind, auch in Zukunft nicht ausbleiben werden. Ich
habe während meiner Amtsführung zu drei Kriegen gerathen, dem
dänischen, dem böhmischen und dem französischen, aber mir auch
jedesmal vorher klar gemacht, ob der Krieg, wenn er siegreich wäre,
einen Kampfpreis bringen würde, werth der Opfer, die jeder Krieg
fordert und die heut so viel schwerer sind, als in dem vorigen
Jahrhundert. Wenn ich mir hätte sagen müssen, daß wir nach
einem dieser Kriege in Verlegenheit sein würden, uns wünschens-
werthe Friedensbedingungen auszudenken, so würde ich mich, so lange
wir nicht materiell angegriffen waren, schwerlich von der Noth-
wendigkeit solcher Opfer überzeugt haben. Internationale Streitig-
keiten, die nur durch den Volkskrieg erledigt werden können, habe
ich niemals aus dem Gesichtspunkte des Göttinger Comments und
der Privatmensuren-Ehre aufgefaßt, sondern stets nur in Abwägung
ihrer Rückwirkung auf den Anspruch des deutschen Volkes, in Gleich-
berechtigung mit den andern großen Mächten Europas ein autonomes
politisches Leben zu führen, wie es auf der Basis der uns eigen-
thümlichen nationalen Leistungsfähigkeit möglich ist.
Die traditionelle russische Politik, die sich theils auf Glaubens-,
theils auf Blutsverwandschaft gründet, der Gedanke, die Rumänen,
die Bulgaren, die griechischen, gelegentlich auch die römisch-katholi-
schen Serben, die unter verschiedenen Namen zu beiden Seiten der
östreichisch-ungarischen Grenze vorkommen, zu „befreien“ von dem
türkischen Joche und dadurch an Rußland zu fesseln, hat sich nicht
bewährt. Es ist nicht unmöglich, daß in ferner Zukunft alle diese
Stämme dem russischen Systeme gewaltsam angefügt werden, aber
daß die Befreiung allein sie nicht in Anhänger der russischen Macht
verwandelt, hat zuerst der griechische Stamm bewiesen. Er wurde
seit Tschesme (1770) als Stützpunkt Rußlands betrachtet, und noch
in dem russisch-türkischen Kriege von 1806 bis 1812 schienen die
Ziele der kaiserlich russischen Politik unverändert zu sein. Ob die
Unternehmungen der Hetärie zur Zeit des auch schon im Westen