Augustenburgische Sympathien. Schreiben Bethmann-Hollwegs. 13
als Zubehör des Altliberalismus vom Standpunkt der frühern
Thronfolgerkritik und der Rathgeber der Königin im Sinne von
Goltz, Pourtalès u. s. w. überkommen. Ich greife in der Zeit
vor, indem ich hier das letzte Lebenszeichen der Wochenblattspartei
einschalte, das Schreiben des Herrn von Bethmann-Hollweg an
den König vom 15. Juni 1866, dessen Hauptsätze lauten ½:
„Was Eure Mojestät stets gefürchtet und vermieden, was alle Ein-
sichtigen voraussahen, daß ein ernstliches Zerwürfniß mit Oesterreich
von Frankreich benutzt werden würde, um sich auf Kosten Deutschlands
zu vergrößern (wo?) ), liegt jetzt in L. Napoleons ausgesprochenem
Programm aller Welt vor Augen. Die ganzen Rheinlande für die
Herzogthümer wäre für ihn kein schlechter Tausch, denn mit den
früher beanspruchten petites rectifications des frontieères wird er
sich gewiß nicht begnügen. Und Er ist der allmächtige Gebieter in
Europa! Gegen den Urheber dieser (unfrer) Politik hege ich
keine feindliche Gesinnung. Ich erinnere mich gerne, daß ich 1848
Hand in Hand mit ihm ging, um den König zu stärken. Im März
1862 rieth ich Eurer Majestät, einen Steuermann von conservativen
Antecedentien zu wählen, der Ehrgeiz, Kühnheit und Geschick genug
besitze, um das Staatsschiff aus den Klippen, in die es gerathen,
herauszuführen, und ich würde Herrn von Bismarck genannt haben,
hätte ich geglaubt, daß er mit jenen Eigenschaften die Besonnenheit
und Folgerichtigkeit des Denkens und Handelns verbände, deren
Mangel der Jugend kaum verziehen wird, bei einem Manne aber
für den Staat, den er führt, lebensgefährlich ist. In der That
war des Grafen Bismarck Thun von Anfang an voller Wider-
sprüche. Von jeher ein entschiedener Vertreter der russisch-französi-
schen Allianz, knüpfte er an die im preußischen Interesse Rußland zu
leistende Hilfe gegen den polnischen Aufstand politische Projecte 3),
1) Vollständig veröffentlicht in L. Schneider, Aus dem Leben Kaiser
Wilhelms I. I 334 ff., auch in Kohl, Bismarck-Regesten 1 287 f.
:) Randbemerkung von Bismarck's Hand.
3) Vergl. Bd. 1 309 ff.