Full text: Gedanken und Erinnerungen. Zweiter Band. (2)

280 Zweiunddreißigstes Kapitel: Kaiser Wilhelm J. 
würde kurz und ironisch antworten, er habe durch mich nichts er- 
fahren, was er nicht schon seit 30 Jahren wisse. Umgekehrt aber 
dankte er mir lebhaft für die interessante Zusammenstellung der ihm 
neuen Daten. 
III. 
Von dem Augenblicke des Antritts der Regentschaft an hatte 
Prinz Wilhelm den Mangel an geschäftlicher Vorbildung so leb— 
haft empfunden, daß er keine Arbeit Tag und Nacht scheute, um 
demselben abzuhelfen. Wenn er „Staatsgeschäfte erledigte“, so 
arbeitete er wirklich, mit vollem Ernst und voller Gewissenhaftigkeit. 
Er las alle Eingänge, nicht blos die, welche ihn anzogen, studirte 
die Verträge und Gesetze, um sich ein selbständiges Urtheil zu 
bilden. Er kannte keine Vergnügung, die den Staatsgeschäften Zeit 
entzogen hätte. Er las niemals Romane oder sonst Bücher, die 
nicht Bezug auf seinen Herrscherberuf hatten. Er rauchte nicht, 
spielte nicht Karten. Wenn nach einem Jagddiner in Wusterhausen 
die Gesellschaft sich in das Zimmer begab, in dem Friedrich 
Wilhelm I. das Tabakscollegium zu versammeln pflegte, so ließ er 
sich, damit die Anwesenden in seiner Gegenwart rauchen durften, 
eine der langen holländischen Thonpfeifen reichen, that einige Züge 
und legte sie mit einem krausen Gesichte aus der Hand. Als er 
in Frankfurt, damals noch Prinz von Preußen, auf einem Balle 
in ein Zimmer gerieth, in dem Hazard gespielt wurde, sagte 
er zu mir: „Ich will doch auch einmal mein Glück versuchen, habe 
aber kein Geld bei mir, geben Sie mir etwas.“ Da auch ich kein 
Geld bei mir zu tragen pflegte, so half der Graf Theodor Stol- 
berg aus. Der Prinz setzte einige Male einen Thaler, verlor jedes 
Mal und verließ das Zimmer. Seine einzige Erholung war, nach 
einem arbeitsvollen Tage in seiner Theaterloge zu sitzen; aber auch 
dort durfte ich als Minister ihn in dringenden Fällen aufsuchen,
	        
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