Beziehungen zum Kronprinzen und zur Kronprinzessin. 305
Potsdam und fragte, ob ich im Falle eines Thronwechsels im
Dienst bleiben würde. Ich erklärte mich dazu unter zwei Be—
dingungen bereit: keine Parlamentsregirung und keine auswär-
tigen Einflüsse in der Politik. Der Kronprinz erwiderte mit einer
entsprechenden Handbewegung: „Kein Gedanke daran!“
Bei seiner Frau Gemalin konnte ich nicht dasselbe Wohlwollen
für mich voraussetzen; ihre natürliche und angeborne Sympathie
für ihre Heimath hatte sich von Hause aus gekennzeichnet in dem
Bestreben, das Gewicht des preußisch-deutschen Einflusses in euro-
päischen Gruppirungen in die Wagschale ihres Vaterlandes, als
welches sie England zu betrachten niemals aufgehört hat, hinüber-
zuschieben und im Bewußtsein der Interessenverschiedenheit der
beiden asiatischen Hauptmächte, England und Rußland, bei ein-
tretendem Bruche die deutsche Macht im Sinne Englands verwendet
zu sehn. Dieser auf der Verschiedenheit der Nationalität beruhende
Dissens hat in der orientalischen Frage, mit Einschluß der Batten-
bergischen, manche Erörterung zwischen Ihrer Kaiserlichen Hoheit
und mir veranlaßt. Ihr Einfluß auf ihren Gemal war zu allen
Zeiten groß und wurde stärker mit den Jahren, um zu culmi-
niren in der Zeit, wo er Kaiser war. Aber auch bei ihr bestand
die Ueberzeugung, daß meine Beibehaltung bei dem Thronwechsel
im Interesse der Dynastie liege.
Es ist nicht meine Absicht, würde auch unausführbar sein,
jeder Legende und böswilligen Erfindung ausdrücklich zu wider-
sprechen. Da indessen die Erzählung, der Kronprinz habe 1887
nach der Rückkehr aus Ems eine Urkunde unterzeichnet, in der
er für den Fall, daß er seinen Vater überlebe, zu Gunsten des
Prinzen Wilhelm auf die Regirung verzichtet, in ein englisches
Werk über den Kaiser Wilhelm II. übergegangen ist, so will ich
constatiren, daß an der Geschichte nicht ein Schatten von Wahrheit
ist. Auch daß ein Thronerbe, der an einer unheilbaren Körper-
krankheit leide, nach unsern Hausgesetzen nicht successionsfähig sei,
wie 1887 in manchen Kreisen behauptet, in andern geglaubt wurde,
Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II. 20