310 Dreiunddreißigstes Kapitel: Kaiser Friedrich III.
ist berechnet auf die Zerstörung des unbequemen Gebildes eines
Deutschen Reiches mit evangelischem Kaiserthum und acceptirt in
Wahlen und Abstimmungen den Beistand jeder ihr an sich feind-
lichen, aber zunächst in gleicher Richtung wirkenden Fraction, nicht
nur der Polen, Welfen, Franzosen, sondern auch der Freisinnigen.
Wie viele der Mitglieder mit Bewußtsein, wie viele in ihrer Be-
schränktheit für reichsfeindliche Zwecke arbeiten, werden nur die
Führer beurtheilen können. Windthorst, politisch latitudinarian,
religiös ungläubig, ist durch Zufall und bürokratisches Ungeschick
auf die feindliche Seite geschoben worden. Trotz alledem hoffe ich,
daß in Kriegszeiten das Nationalgefühl stets zu der Höhe an-
schwellen wird, um das Lügengewebe zu zerreißen, in dem Fractions-=
führer, strebsame Redner und Parteiblätter in Friedenszeiten die
Massen zu erhalten wissen.
Wenn man sich die Zeit vergegenwärtigt, wo das Centrum,
gestützt weniger auf den Papst als auf den Jesuitenorden, die
Welfen, nicht blos die hanöverschen, die Polen, die französirenden
Elsässer, die Volksparteiler, die Socialdemokraten, die Freisinnigen
und die Particularisten, einig unter einander nur in der Feind-
schaft gegen das Reich und seine Dynastie, unter Führung desselben
Windthorst, der vor und nach seinem Tode zu einem National-
heiligen gemacht wurde, eine sichre und herrische Mehrheit gegen
den Kaiser und die verbündeten Regirungen besaß, so wird
Jeder, der die damalige Situation und die von Westen und Osten
drohenden Gefahren sachkundig zu beurtheilen im Stande ist, es
natürlich finden, daß ein für die Schlußergebnisse verantwortlicher
Reichskanzler daran dachte, den möglichen auswärtigen Verwick-
lungen und ihrer Verbindung mit innern Gefahren mit derselben
Unabhängigkeit entgegen zu treten, mit der der böhmische Krieg
ohne Einverständniß, vielfach sogar im Widerspruche mit politischen
Stimmungen unternommen wurde.
Von den Privatbriefen des Kaisers Friedrich theile ich einen
um seinet= und um meinetwillen mit, als Probe seiner Sinnesart