Full text: Gedanken und Erinnerungen. Zweiter Band. (2)

34 Zwanzigstes Kapitel: Nikolsburg. 
schränkung auf die Elblinie, inzwischen Führung des Krieges gegen 
Frankreich. 
Dieses Gutachten befestigte mich noch mehr in meinem Ent— 
schlusse, Seiner Majestät den Frieden auf der Basis der terri— 
torialen Integrität Oestreichs anzurathen. Ich war der Ansicht, 
daß wir im Falle der französischen Einmischung entweder sofort 
unter mäßigen Bedingungen mit Oestreich Frieden und wo möglich 
ein Bündniß schließen müßten, um Frankreich anzugreifen, oder daß 
wir Oestreich durch raschen Anlauf und durch Förderung des Con- 
flicts in Ungarn, vielleicht auch in Böhmen, schnell vollends lahm 
zu legen, und bis dahin gegen Frankreich, nicht, wie Moltke wollte, 
gegen Oestreich, uns nur defensiv zu verhalten hätten. Ich war 
des Glaubens, daß der Krieg gegen Frankreich, den Moltke, wie 
er sagte, zuerst und schnell führen wollte, nicht so leicht sein, daß 
Frankreich zwar für die Offensive wenig Kräfte übrig haben, aber 
in der Defensive nach geschichtlicher Erfahrung im Lande selbst bald 
stark genug werden würde, um den Krieg in die Länge zu ziehn, 
so daß wir dann vielleicht unfre Defensive gegen Oestreich an der 
Elbe nicht siegreich würden halten können, wenn wir einen In- 
vasionskrieg in Frankreich, mit Oestreich und Süddeutschland feind- 
lich im Rücken, zu führen hätten. Ich wurde durch diese Perspec- 
tive zur lebhafteren Anstrengung im Sinne des Friedens bestimmt. 
Eine Betheiligung Frankreichs am Kriege hätte damals viel- 
leicht nur 60 000 Mann französischer Truppen sofort nach Deutsch- 
land in das Gefecht geführt, vielleicht noch weniger; diese Zuthat 
zu dem Bestande der süddeutschen Bundesarmee wäre jedoch aus- 
reichend gewesen, um für die letztre die einheitliche und energische 
Führung, wahrscheinlich unter französischem Obercommando, herzu- 
stellen. Allein die bairische Armee soll zur Zeit des Waffenstill- 
standes 100 000 Köpfe stark gewesen sein, und mit den übrigen ver- 
fügbaren deutschen Truppen, an sich guten und tapfern Soldaten, und 
60 000 Franzosen wäre uns von Südwesten her eine Armee von 
200 000 Mann unter einheitlicher, kräftiger französischer Leitung
	        
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