Umfang der Annexionen, König und Minister. 41
Der Wunsch des Königs, Westsachsen, Leipzig, Zwickau und
Chemnitz zur Herstellung der Verbindung mit Bayreuth zu behalten,
stieß auf die Erklärung Karolyis, daß er die Integrität Sachsens
als conditio sine qua non der Friedensbedingungen festhalten
müsse. Dieser Unterschied in der Behandlung der Bundesgenossen
beruhte auf den persönlichen Beziehungen zum Könige von Sachsen
und auf dem Verhalten der sächsischen Truppen nach der Schlacht
bei Königgrätz, die bei dem Rückzuge den festesten und intactesten
militärischen Körper gebildet hatten. Die andern deutschen Truppen
hatten sich tapfer geschlagen, wo sie in's Gefecht kamen, aber spät und
ohne praktische Erfolge, und es waltete in Wien der den Umständen
nach unberechtigte Eindruck vor, von den Bundesgenossen, namentlich
von Baiern und Würtemberg, unzulänglich unterstützt zu sein.
Das Generalstabswerk sagt unter dem 21. Juli:
„In Nikolsburg hatten seit mehreren Tagen Verhandlungen
Statt gefunden, deren nächstes Ziel eine fünftägige Waffenruhe
war. Vor Allem galt es, für die Diplomatie Zeit zu gewinnen ?).
Jetzt, wo das preußische Heer das Marchfeld betrat, stand eine
neue Katastrophe unmittelbar bevor."“
Ich fragte Moltke, ob er unser Unternehmen bei Preßburg
für gefährlich oder für unbedenklich halte. Bis jetzt hätten wir
keinen Flecken auf der weißen Weste. Sei mit Sicherheit auf einen
guten Ausgang zu rechnen, so müßten wir die Schlacht sich voll-
ziehn, die Waffenruhe einen halben Tag später beginnen lassen;
der Sieg würde unfre Stellung in der Verhandlung natürlich
stärken. Im andern Fall wäre besser auf das Unternehmen zu
verzichten. Er gab mir die Antwort, daß er den Ausgang für
zweifelhaft und die Operation für eine gewagte halte; aber im
Kriege sei alles gefährlich. Dies bestimmte mich, die Verabredung
über die Waffenruhe Sr. Majestät in der Art zu empfehlen, daß
X) Die Diplomatie hatte aber Angesichts der französischen Einmischung
weniger Zeit zu verlieren als die Heeresleitung.