44 Zwanzigstes Kapitel: Nikolsburg.
mündlichen Vortrag. Im Vorzimmer fand ich zwei Obersten mit
Berichten über das Umsichgreifen der Cholera unter ihren Leuten,
von denen kaum die Hälfte dienstfähig war ). Die erschreckenden
Zahlen befestigten meinen Entschluß, aus dem Eingehn auf die
östreichischen Bedingungen die Cabinetsfrage zu machen. Ich be-
fürchtete neben politischen Sorgen, daß bei Verlegung der Opera-
tionen nach Ungarn die mir bekannte Beschaffenheit dieses Landes
die Krankheit schnell übermächtig machen würde. Das Klima,
besonders im August, ist gefährlich, der Wassermangel groß, die
ländlichen Ortschaften mit Feldmarken von mehren Quadratmeilen
weit verstreut, dazu Reichthum an Pflaumen und Melonen. Mir
schwebte als warnendes Beispiel unser Feldzug von 1792 in der
Champagne vor, wo wir nicht durch die Franzosen, sondern durch
die Ruhr zum Rückzug gezwungen wurden.
Ich entwickelte dem Könige an der Hand meines Schriftstücks
die politischen und militärischen Gründe, die gegen die Fort-
setzung des Krieges sprachen.
Oestreich schwer zu verwunden, dauernde Bitterkeit und
Revanchebedürfniß mehr als nöthig zu hinterlassen, mußten wir
vermeiden, vielmehr uns die Möglichkeit, uns mit dem heutigen
Gegner wieder zu befreunden, wahren und jedenfalls den öst-
reichischen Staat als einen Stein im europäischen Schachbrett und
die Erneuerung guter Beziehungen mit demselben als einen für
uns offen zu haltenden Schachzug ansehn. Wenn Oestreich schwer
geschädigt wäre, so würde es der Bundesgenosse Frankreichs und
jedes Gegners werden; es würde selbst seine antirussischen Inter-
essen der Revanche gegen Preußen opfern.
Auf der andern Seite könnte ich mir keine für uns annehm-
bare Zukunft der Länder, welche die östreichische Monarchie bildeten,
denken, falls letztre durch ungarische und slavische Aufstände zer-
stört oder in dauernde Abhängigkeit versetzt werden sollte. Was
X) Während des Feldzuges sind 6427 Mann der Seuche erlegen.