Full text: Gedanken und Erinnerungen. Zweiter Band. (2)

Schwierigkeit der Lage gegenüber den militärischen Einflüssen. 45 
sollte an die Stelle Europas gesetzt werden, welche der östreichische 
Staat von Tyrol bis zur Bukowina bisher ausfüllt? Neue 
Bildungen auf dieser Fläche könnten nur dauernd revolutionärer 
Natur sein. Deutsch-Oestreich könnten wir weder ganz, noch theil- 
weise brauchen, eine Stärkung des preußischen Staates durch Er- 
werbung von Provinzen wie Oestreichisch-Schlesien und Stücken 
von Böhmen nicht gewinnen, eine Verschmelzung des deutschen 
Oestreichs mit Preußen würde nicht erfolgen, Wien als ein Zu- 
behör von Berlin aus nicht zu regiren sein. 
Wenn der Krieg fortgesetzt würde, so wäre der wahrscheinliche 
Kampfplatz Ungarn. Die östreichische Armee, die, wenn wir beie 
Preßburg über die Donau gegangen, Wien nicht würde halten 
können, würde schwerlich nach Süden ausweichen, wo sie zwischen 
die preußische und die italienische Armee geriethe und durch ihre 
Annäherung an Italien die gesunkene und durch Louis Napoleon 
eingeschränkte Kampflust der Italiener neu beleben würde; sondern 
sie würde nach Osten ausweichen und die Vertheidigung in Ungarn 
fortsetzen, wenn auch nur in der Hoffnung auf die in Aussicht 
stehende Einmischung Frankreichs und die durch Frankreich vor- 
bereitete Desinteressirung Italiens. Uebrigens hielte ich auch unter 
dem rein militärischen Gesichtspunkte nach meiner Kenntniß des 
ungarischen Landes die Fortsetzung des Krieges dort für undankbar, 
die dort zu erreichenden Erfolge für nicht im Verhältniß stehend 
zu den bisher gewonnenen Siegen, also unser Prestige vermindernd 
— ganz abgesehn davon, daß die Verlängerung des Krieges der 
französischen Einmischung die Wege ebnen würde. Wir müßten 
rasch abschließen, ehe Frankreich Zeit zur Entwicklung weitrer diplo- 
matischer Action auf Oestreich gewönne. 
Gegen alles dies erhob der König keine Einwendung; aber 
die vorliegenden Bedingungen erklärte er für ungenügend, ohne 
jedoch seine Forderungen bestimmt zu formuliren. Nur so viel war 
klar, daß seine Ansprüche seit dem 4. Juli gewachsen waren. Der 
Hauptschuldige könne doch nicht ungestraft ausgehn, die Verführten
	        
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