Diplomatische Sorgen und Erwägungen. 53
ich den französischen Krieg niemals gehalten, ganz abgesehn von
den Bundesgenossen, die Frankreich in dem östreichischen Revanche—
gefühl und in dem russischen Gleichgewichtsbedürfniß finden konnte.
Mein Bestreben, diesen Krieg hinauszuschieben, bis die Wirkung
unsrer Wehrgesetzgebung und militärischen Erziehung auf alle nicht
altpreußischen Landestheile sich vollständig hätte entwickeln können,
war also natürlich, und dieses mein Ziel war 1867 bei der
Luxemburger Frage nicht annähernd erreicht. Jedes Jahr Auf—
schub des Krieges stärkte unser Heer um mehr als 100000 gelernte
Soldaten. Bei der Indemnitätsfrage dem Könige gegenüber und
bei der Verfassungsfrage im preußischen Landtage aber stand ich
unter dem Druck des Bedürfnisses, dem Auslande keine Spur von
vorhandenen oder bevorstehenden Hemmnissen durch unsre innre
Lage, sondern nur die einige nationale Stimmung zur Anschauung
zu bringen, um so mehr, als sich nicht ermessen ließ, welche Bundes-
genossen Frankreich im Kriege gegen uns haben werde. Die Ver-
handlungen und Annäherungsversuche zwischen Frankreich und Oest-
reich in Salzburg und anderswo bald nach 1866, konnten unter
Leitung des Herrn von Beust erfolgreich sein, und schon die Be-
rufung dieses verstimmten sächsischen Ministers zur Leitung der
Wiener Politik ließ darauf schließen, daß sie die Richtung der Re-
vanche einschlagen würde.
Die Haltung Italiens war nach der Fügsamkeit gegen Na-
poleon, die wir 1866 kennen gelernt hatten, unberechenbar, sobald
französischer Druck stattfand. Der General Govone war, als ich
in Berlin im Frühjahr 1866 mit ihm verhandelte, erschrocken,
als ich den Wunsch äußerte, er möge zu Haus anfragen, ob wir
auch gegen Napoleonische Verstimmungen auf Italiens Vertrags-
treue rechnen dürften. Er sagte, daß eine solche Rückfrage an
demselben Tage nach Paris telegraphirt werden würde, mit der
Anfrage, „was man antworten solle?“ In der öffentlichen Meinung
Italiens konnte ich auf sichern Anhalt nicht rechnen, nach der
Haltung der italienischen Politik während des Krieges, nicht blos