Full text: Gedanken und Erinnerungen. Zweiter Band. (2)

62 Einundzwanzigstes Kapitel: Der Norddeutsche Bund. 
hundert gehoben hatte. Das Ergebniß würde der Regirung noch 
günstiger gewesen sein, wenn die Wahl einige Tage nach der 
entscheidenden Schlacht stattgefunden hätte; aber auch so war es 
in Verbindung mit der schwunghaften Stimmung im Lande immer— 
hin geeignet, nicht blos conservativen, sondern auch reactionären 
Bestrebungen Hoffnung auf Gelingen zu geben. Für diejenigen, 
welche nach der Rückbildung zum Absolutismus oder doch nach 
einer Restauration im ständischen Sinne strebten, war durch die 
Vergrößerung der Monarchie, durch die parlamentarische Situation 
beim Ausbruch des Krieges und den ungeschickten und ehrgeizigen 
Eigensinn der Führer der Opposition ein Anknüpfungspunkt ge- 
geben, um die preußische Verfassung zu suspendiren und zu revi- 
diren. Sie war auf das vergrößerte Preußen nicht zugeschnitten, 
noch weniger aber auf die Einschichtung in die zukünftige Ver- 
fassung Deutschlands. Die Verfassungsurkunde selbst enthielt einen 
Artikel (118), welcher, entstanden unter dem Eindruck der nationalen 
Stimmung zur Zeit der Verfassungsbildung und aus dem Entwurf 
von 1848 entnommen, zur Unterordnung der preußischen Verfassung 
unter eine neu zu schaffende deutsche berechtigte. Es war also eine 
Gelegenheit gegeben, mit dem formalen Anstrich der Legalität die 
Verfassung und die Bestrebungen der Conflictsmajorität nach par- 
lamentarischer Herrschaft aus den Angeln zu heben, und dies lag 
im Hintergrunde des Bemühns der äußersten Rechten und ihrer 
nach Prag abgeordneten Mitglieder. 
Eine andre Gelegenheit, den innern Conflict zugleich mit der 
deutschen Frage zu erledigen, hatte sich dem Könige dargeboten, 
als der Kaiser Alexander 1863 zur Zeit des polnischen Aufstandes 
und des Ueberrumpelungsversuchs für den Frankfurter Fürsten- 
congreß ein preußisch-russisches Bündniß in eigenhändiger Cor- 
respondenz lebhaft befürwortet hatte. Auf mehren eng geschriebenen 
Bogen in der feinen Hand des Kaisers, weit ausgesponnen und 
mit mehr Declamation, als in seiner Feder lag, konnte der Brief 
an Hamlets Wort:
	        
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