Full text: Gedanken und Erinnerungen. Zweiter Band. (2)

Beurtheilung der reactionären Vorschläge. Indemnität. 69 
der parlamentarischen Majoritäten, das Erforderniß der Verständi- 
gung beider für jede Aenderung des gesetzlichen status quo ist ein 
gerechtes, und wir hatten nicht nöthig, an der preußischen Ver- 
fassung Erhebliches zu bessern. Es läßt sich mit derselben regiren, 
und die Bahn deutscher Politik wäre verschüttet worden, wenn wir 
1866 daran änderten. Vor dem Siege würde ich nie von „Indemnität"“ 
gesprochen haben; jetzt, nach dem Siege, war der König in der 
Lage, sie großmüthig zu gewähren und Frieden zu schließen, nicht 
mit seinem Volke — der war nie unterbrochen worden, wie der 
Verlauf des Krieges gezeigt hat, — sondern mit dem Theile der 
Opposition, welcher irre geworden war an der Regirung, mehr 
aus nationalen, als aus parteipolitischen Gründen. 
Dies waren ungefähr die Gedanken und Argumente, mit denen 
ich während der viele Stunden langen Fahrt von Prag nach Berlin 
(4. August) die Schwierigkeiten zu bekämpfen suchte, die die eignen 
Ansichten, noch mehr aber andre Einflüsse, namentlich auch der Ein- 
fluß der conservativen Deputation, in dem Könige hinterlassen hatten. 
Es kam dazu eine staatsrechtliche Auffassung Sr. Majestät, die ihm ein 
Verlangen nach Indemnität als ein Eingeständniß begangenen Un- 
rechts erscheinen ließ N). Ich suchte vergeblich diesen sprachlichen 
und rechtlichen Irrthum zu entkräften, indem ich geltend machte, 
daß in Gewährung der Indemnität nichts weiter liege als die An- 
erkennung der Thatsache, daß die Regirung und ihr königlicher 
Chef rebus sic stantibus richtig gehandelt hätten; die Forderung 
der Indemnität sei ein Verlangen nach dieser Anerkennung. In 
jedem constitutionellen Leben, in dem Spielraum, den es den 
Regirungen gestatte, liege es, daß der Regirung nicht für jede 
Situation eine Zwangsroute in der Verfassung angewiesen sein 
könne. Der König blieb bei seiner Abneigung gegen Indemnität, 
N) Die Angabe in Roon's Denkwürdigkeiten („Deutsche Revue“ 1891 Bd. 1 
S. 133, Ausgabe in Buchform II7 482): „Für Bismarck's Zustimmung war es 
jedenfalls entscheidend, daß er die versöhnlichen Anschauungen seines Monarchen 
genau kannte“, ist irrthümlich.
	        
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