70 Einundzwanzigstes Kapitel: Der Norddeutsche Bund.
während es mir nothwendig schien, den parlamentarischen Gegnern,
von denen doch höchstens diejenigen, die später die freisinnige
Partei bildeten, böswillig, die Andern aber nur verrannt waren,
sei es politisch, sei es sprachlich, eine goldne Brücke zu bauen,
um den innern Frieden Preußens herzustellen und von dieser festen
preußischen Basis aus die deutsche Politik des Königs fortzusetzen.
Die viele Stunden lange und für mich sehr angreifende Unter-
redung, weil sie meinerseits stets in vorsichtigen Formen geführt
werden mußte, fand im Eisenbahncoupé zu Dreien Statt, mit dem
Könige und dem Kronprinzen. Der Letztre aber unterstützte mich
nicht, obschon er in dem leichtbeweglichen Ausdruck seines Mienen-
spiels mich wenigstens durch Kundgebung seines vollen Einverständ-
nisses seinem Herrn Vater gegenüber stärkte.
Durch eine Correspondenz, die ich von Nikolsburg aus mit
den übrigen Ministern geführt hatte, war der Entwurf der Thron-
rede zu Stande gekommen und von Sr. Mojestät genehmigt worden
mit Ausnahme des auf die Indemnität bezüglichen Satzes. Schließ-
lich gab der König mit Widerstreben auch dazu seine Einwilligung,
so daß der Landtag am 5. August mit einer Thronrede eröffnet
werden konnte, die ankündigte, daß die Landesvertretung in Be-
zug auf die ohne Staatshaushaltsgesetz geführte Verwaltung um
nachträgliche Verwilligung angegangen werden solle. In verbis
simus faciles!
VI.
Das nächste Geschäft war die Regelung unfres Verhältnisses
zu den verschiedenen deutschen Staaten, mit denen wir im Kriege
gewesen waren. Wir hätten die Annexionen für Preußen ent-
behren und Ersatz dafür in der Bundesverfassung suchen können.
Se. Majestät aber hatte an praktische Effecte von Verfassungs-
paragraphen keinen bessern Glauben wie an den alten Bundestag
und bestand auf der territorialen Vergrößerung Preußens, um die