Full text: Gedanken und Erinnerungen. Zweiter Band. (2)

80 Zweiundzwanzigstes Kapitel: Die Emser Depesche. 
schaftlichen Beziehungen beruhigende und consolidirende Ergebnisse, 
die den Spaniern zu mißgönnen ich keinen Anlaß hatte. Spanien 
gehört zu den wenigen Ländern, die nach ihrer geographischen Lage 
und ihrem politischen Bedürfniß keinen Grund haben, antideutsche 
Politik zu treiben; es ist außerdem in wirthschaftlicher Beziehung 
nach Production und Bedarf für einen entwickelten Verkehr mit 
Deutschland wohl geeignet. Ein uns befreundetes Element in der 
spanischen Regirung wäre ein Vortheil gewesen, den a limine ab- 
zuweisen in den Aufgaben der deutschen Politik kein Grund vor- 
handen war, es sei denn, daß man die Besorgniß, Frankreich 
könne unzufrieden werden, als einen solchen gelten lassen wollte. 
Wenn Spanien sich wieder kräftiger entwickelte, als seither geschehn 
ist, konnte die Thatsache, daß die spanische Diplomatie uns be- 
freundet wäre, im Frieden für uns von Nutzen sein; daß der 
König von Spanien bei Eintritt des früher oder später voraus- 
zusehenden deutsch-französischen Krieges, auch wenn er den besten 
Willen gehabt hätte, seine deutschen Sympathien durch einen 
Angriff oder eine Aufstellung gegen Frankreich zu bethätigen, im 
Stande sein werde, war mir nicht wahrscheinlich, und das Ver- 
halten Spaniens nach Ausbruch des Krieges, den wir uns durch 
die Gefälligkeit deutscher Fürsten zugezogen hatten, bewies die 
Richtigkeit meiner Zweifel. Der ritterliche Cid hätte Frankreich 
wegen der Einmischung in die Freiheit der spanischen Königswahl 
zur Rechenschaft gezogen und die Wahrung der spanischen Unab- 
hängigkeit nicht Fremden überlassen. Die früher zu Wasser und 
Lande mächtige Nation kann heut nicht die stammverwandte Be- 
völkerung von Cuba im Zaume halten; wie sollte man von ihr 
erwarten, daß sie eine Macht wie Frankreich aus Liebe zu uns 
angriffe? Keine spanische Regirung und am wenigsten ein aus- 
ländischer König würde im Lande die Macht besitzen, auch nur ein 
Regiment aus Liebe zu Deutschland an die Pyrenäen zu schicken. 
Politisch stand ich der ganzen Frage ziemlich gleichgültig gegen- 
über. Mehr als ich war Fürst Anton geneigt, sie friedlich zu dem
	        
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