Full text: Gedanken und Erinnerungen. Zweiter Band. (2)

Die Candidatur eine Familiensache. Französische Kriegstreiberei. 83 
Sachkunde geprüft hatte. Der deutsch-nationale Aufschwung, welcher 
der französischen Kriegserklärung folgte, vergleichbar einem Strome, 
der die Schleusen bricht, war für die französischen Politiker eine 
Ueberraschung; sie lebten, rechneten und handelten in Rheinbunds- 
erinnerungen, genährt durch die Haltung einzelner westdeutscher 
Minister und durch ultramontane Einflüsse, welche hofften, daß 
Frankreichs Siege, gesta Dei per Francos, die Ziehung weitrer 
Consequenzen des Vaticanums in Deutschland, gestützt auf Allianz 
mit dem katholischen Oestreich, erleichtern würden. Ihre ultra- 
montanen Tendenzen waren der französischen Politik in Deutsch- 
land förderlich, in Italien nachtheilig, da das Bündniß mit 
letzterm schließlich an der Weigerung Frankreichs, Rom zu räumen, 
scheiterte. In dem Glauben an die Ueberlegenheit der franzö- 
sischen Waffen wurde der Kriegsvorwand, man kann sagen, an 
den Haaren herbeigezogen, und anstatt Spanien für seine, wie 
man annahm, antifranzösische Königswahl verantwortlich zu machen, 
hielt man sich an den deutschen Fürsten, der es nicht abgelehnt 
hatte, dem Bedürfniß der Spanier auf deren Wunsch durch 
Gestellung eines brauchbaren und voraussichtlich in Paris als 
persona grata betrachteten Königs abzuhelfen, und an den König 
von Preußen, den nichts als der Familienname und die deutsche 
Landsmannschaft zu dieser spanischen Angelegenheit in Beziehung 
brachte. Schon in der Thatsache, daß das französische Cabinet 
sich erlaubte, die preußische Politik über die Annahme der Wahl 
zur Rede zu stellen, und zwar in einer Form, die durch die 
Interpretation der französischen Blätter zu einer öffentlichen Be- 
drohung wurde, schon in dieser Thatsache lag eine internationale 
Unverschämtheit, die für uns nach meiner Ansicht die Unmög- 
lichkeit involvirte, auch nur um einen Zoll breit zurückzuwcichen. 
Der beleidigende Charakter der französischen Zumuthung wurde 
verschärft nicht nur durch die drohenden Herausforderungen der 
französischen Presse, sondern auch durch die Parlamentsverhand- 
lungen und die Stellungnahme des Ministeriums Gramont-Ollivier
	        
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