Full text: Wegweiser durch Bismarcks Gedanken und Erinnerungen. (3)

Die Erneuerung des Kaisertitels. Kronprinzliche Denkschrift. 123 
hätte, wenn er sich nicht des Königs von Bayern bedient hätte, 
um einen Druck auf die Abneigung seines hohen Herrn gegen 
den Kaisertitel auszuüben. Er ließ ihm durch den Grafen 
Holnstein den Entwurf eines Schreibens an den König von 
Preußen zugehen, in welchem der König von Bayern erklärte, 
die zugesagten, aber noch nicht ratificirten Zugeständnisse nur 
dem deutschen Kaiser, nicht aber dem Könige von Preußen 
machen zu können. Dieser Brief des Königs von Bayern gab 
Bismarck ein wichtiges Argument zur Ueberwindung des Wider- 
standes. Aber ein neues Hemmniß erhob sich in der Forderung 
des Königs, Kaiser von Deutschland genannt zu werden und 
nicht bloß deutscher Kaiser. Allen Einwänden Bismarcks gegen 
die sachliche Unzulässigkeit eines Titels, der ein nicht vorhan- 
denes Besitzrecht des preußischen Königs auf alle nicht preu- 
ßischen Territorien in sich schloß, blieb der König unzugänglich, 
und noch am 17. Januar 1871 erklärte er als seine Willens- 
meinung, nur den Titel eines Kaisers von Deutschland anzu- 
nehmen. Der Großherzog von Baden umging am 18. Januar 
die Schwierigkeit, indem er das Hoch auf den Kaiser Wilhelm 
ausbrachte, die nähere Qualification des Titels aber unterließ. 
Der Kaiser gab seinen Groll gegen Bismarck dadurch zu er- 
kennen, daß er am Tage der Proclamation seiner neuen Macht- 
stellung, die er nicht zum geringsten Theile der Thätigkeit seines 
ersten Rathgebers verdankte, zwar den hinter dem Kanzler 
stehenden Generalen, nicht aber diesem selbst die Hand reichte. 
Einen Blick in die Ideenwelt des Kronprinzen von 
Preußen gestattet eine Denkschrift, die er aus dem Hauptquartier 
Blämont am 14. August 1870 dem Grafen Bismarck übersandte. 
Sie sollte nach dem Wunsche des Fürsten Bismarck den „Ge- 
danken und Erinnerungen“ einverleibt werden, fand aber 
schließlich keine Verwendung. Ich gebe sie, nach einer von dem 
Original genommenen Abschrift mit den von Bismarck beige- 
fügten Randbemerkungen: 
H. O. Blämont Lothringen 14./8. 70. 
Beifolgend sende ich Ihnen meine Gedankenspähne 
für den Fall eines Friedens, wie auch für die endliche 
Feststellung der deutschen Gesammt-Einheit.
	        
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