Full text: Wegweiser durch Bismarcks Gedanken und Erinnerungen. (3)

Denkschrift des Kronprinzen. 129 
Reichstag ihren patriotischen Antheil an dem deutschen Staate 
zu bethätigen. 
[Es sei hier eingeschaltet, daß unter Umständen vielleicht 
die deutschen souverainen Fürsten ihrerseits eine 
Urkunde an den präsidirenden Fürsten einreichen 
könnten, kraft welcher sie um persönliche Aufnahme 
in irgend eine Vertretung des deutschen Volks (Reichs- 
tag oder Zollparlament) bitten, um vielleicht mit 
den Häuptern der ehemaligen reichsunmittelbaren 
und reichsständischen Geschlechter ein Oberhaus zu 
bilden. 
Die weitere Regelung der Angelegenheiten Deutschlands 
geschieht mit Hülfe der bereits bestehenden Gesammtvertretung, 
welche als Zollparlament wiederholt getagt hat. Dieses Haus 
würde sofort zu einer constituirenden Versammlung berufen 
werden müssen, da dieselbe zu Recht besteht, also ohne Octroy- 
irung oder Wahlgesetzberathung tagen kann. 
Der Norddeutsche Reichstag würde keine Gesammtver- 
vertretung unter solchen Umständen vorstellen können. 
Es wäre baldmöglichst dafür Sorge zu tragen, daß die 
matricular-Beiträge der Bundesstaaten insoweit anders ge- 
regelt würden, als das Drückende des gegenwärtigen Verhält- 
nisses gehoben würde, wofür die souverainen Fürsten sich frei- 
willig gewisser Rechte begeben würden, welche ihnen Lasten 
auferlegen, die auf die oberste leitende Bundesbehörde überzu- 
gehen hätten. So z. B. Geistliche und Schulangelegenheiten. 
Jedem deutschen Staat bleibt es unzweifelhaft gestattet, 
nach wie vor seine inneren Angelegenheiten zu verwalten, 
und zu diesem Zweck Vertreter des Landes zu berufen, deren 
Zusammensetzung und deren Rechtsbefugniß lediglich den localen 
Verhältnissen anzupassen sein werden, und von denen die 
Bundesverwaltung nicht berührt wird. 
S — 
Kohl, Wegweiser. 9
	        
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