XVI.
Der Berliner Congreß.
Freundschaft mit Rußland zu halten, war einer der
Angelpunkte von Bismarcks europäischer Politik (28. Capitel:
Berliner Congreß). So lange die deutsche Frage nicht ent-
schieden war, mußte Preußen die Anlehnung an Rußland suchen,
weil die russische Freundschaft ihm bei dem Kampfe um die
Vorherrschaft in Deutschland förderlich sein konnte. Die Hilfe-
leistung zur Zeit des polnischen Aufstandes, wenn sie sich auch
mehr auf dem Gebiete der Theorie als dem der Praxis hielt,)
verschaffte Preußen einen Anspruch auf das russische Wohl-
wollen und trug bei der aufrichtig freundschaftlichen Gesinnung
Alexanders II. für seinen Oheim Wilhelm I. gute Früchte bei
der Neuordnung der deutschen Verhältnisse im Anschluß an die
Kriege von 1866 und 1870/71. Nach dem französischen Kriege
war Bismarck ehrlich bestrebt, den Bund der drei Ostmächte,
der Europa fast 50 Jahre den Frieden verbürgt hatte, auf
neuer Grundlage wieder herzustellen, und da allen drei Staaten
das wichtigste Interesse — die Aufrechterhaltung des Monar-
chismus gegenüber den starken republikanischen Unterströmungen
— gemeinsam war, so überwand Oesterreich die seit 1866 vor-
handene Verstimmung und trat mit dem Deutschen und dem
Russischen Reiche in freundschaftliche Beziehungen ein, die durch
die Zusammenkunft der drei Kaiser in Berlin (September 1872)
vor aller Welt besiegelt wurden. Deutschland fiel in diesem
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