166 XVI. Der Berliner Congreß.
den großen Monarchien zu erhalten, die der Revolution gegen-
über mehr zu verlieren, als im Kampfe untereinander zu ge-
winnen hätten. Sei der Friede zwischen Rußland und Oester-
reich nicht aufrecht zu erhalten, so könnte Deutschland zwar
ertragen, daß seine Freunde gegen einander Schlachten ver-
lören oder gewönnen, aber nicht, daß einer von beiden so
schwer verwundet oder geschädigt werde, daß seine Stellung
als unabhängige und in Europa mitredende Großmacht ge-
fährdet würde. So wohlwollend diese Antwort auch für den
Fall russischer Niederlagen lautete, die man freilich in Peters-
burg kaum für möglich gehalten haben dürfte, so gab sie doch
Gortschakow willkommene Gelegenheit, dem Zaren die deutsche
Freundschaft als zu „platonisch" zu verdächtigen und ihn zu
einer friedlichen Auseinandersetzung mit Oesterreich zu bewegen,
die nicht ohne Spitze gegen Deutschland war. Die Verhand-
lungen zwischen Rußland und Oesterreich, die schon bei einer
Zusammenkunft der Kaiser beider Reiche am 8. Juli 1876 in
Reichstadt eingeleitet worden waren, wurden jetzt wieder auf-
genommen und zu Ende geführt. Sie gewährten Rußland die
Erlaubniß zu einem Kriege gegen die Türkei für die „Be-
freiung“ Bulgariens und verschafften Oesterreich als Preis der
Neutralität den Besitz von Bosnien und Herzegowina. Daß
Rußland die Geheimhaltung der Convention von Reichstadt
vor Deutschland zur Bedingung machte, beweist das Mißtrauen
gegen den bisherigen Freund. Gleichwohl ließ sich Bismarck
nicht verstimmen; Deutschland bewahrte während des Krieges
durchaus die wohlwollende Neutralität, die es Rußland zu-
gesagt hatte, und als der Friede von San Stefano die Mög-
lichkeit eines Krieges von England und Oesterreich gegen Ruß-
land nahe rückte, ließ Bismarck auf Ersuchen Rußlands und
unter Zustimmung Englands und Oesterreichs die Einladung
zu einem Congreß in Berlin ergehen zu friedlichem Aus-
gleich der auf der Balkanhalbinsel zusammenstoßenden Inter-
essen der europäischen Großstaaten. Gortschakow spielte auf
dem Congreß eine eigenthümliche Rolle; er hatte seine Ent-
sendung nach Berlin dem Zaren förmlich abgedrungen, während
der eigentliche Träger des russischen Votums der Graf Peter