1869
26. 2.
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glücklich verwöhnt worden, — so daß der jetzige Moment,
mehr als gerechtfertigt ist, ein Ebranlement erzeugt! Ja, kann
ein Monarch seinem Premier ein größeres Vertrauen beweisen
als ich, der Ihnen zu so verschiedenen Malen und nun auch
jetzt zuletzt noch privat Briefe zusendet, die über momentan
schwebende Fragen sprechen, damit Sie sich überzeugen, daß ich
nichts der Art hinter Ihrem Rücken betreibe? Wenn ich Ihnen
den Brief des Grls von Manteuffel in der Memeler An-
gelegenheit sendete ), weil er mir ein Novum (: Tottleben 5
zu enthalten schien und ich deshalb Ihre Ansicht hören wollte,
wenn ich Ihnen Grls von Boyen Brief mittheilte, ebenso einige
Zeitungs Ausschnitte, bemerkend, daß diese Piecen genau
das wiedergäben, was ich unverändert seit Jahr und Tag
überall und officiel ausgesprochen hätte — so sollte ich
glauben, daß ich mein Vertrauen kaum steigern könnte. Daß
ich aber überhaupt mein Ohr den Stimmen verschließen sollte,
die in gewissen gewichtigen Augenblicken sich vertrauensvoll an
mich wenden, — das werden Sie selbst nicht verlangen.
Wenn ich hier einige der Punkte heraushebe, die Ihr
Schreiben als Gründe anführt, die Ihre jetzige Gemüths-
stimmung herbeiführten, während ich andere unerörtert ließ,
so komme ich noch auf Ihre eigne Aeußerung zurück, daß
Sie Ihre Stimmung eine krankhafte nennen; Sie fühlen sich
müde, erschöpft, Sehnsucht nach Ruhe beschleicht Sie. Das
alles verstehe ich vollkommen, denn ich fühle es Ihnen nach;
— kann und darf ich') deshalb daran denken mein Amt
niederzulegen?") Ebenso wenig wie ich dies darf, ebenso wenig
dürfen Sie es! Sie gehören sich nicht allein, sich selbst an;
Ihre Existenz ist mit der Geschichte Preußens, Deutschlands,
Europas zu eng verbunden, als daß Sie sich von einem Schau-
platz zurückziehen dürfen, den Sie mit schaffen halfen. Aber
damit Sie sich dieser Schöpfung auch ganz widmen können,
*) Zweifach unterstrichen.