1873
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gegeben. Es ist aber in der Politik niemals möglich, mathe-
matische Beweise zu geben. Das Vertrauen auf das Urtheil
des Einen oder des Andern unter den Rathgebern und Bericht-
erstattern Eurer Majestät entscheidet schließlich. Es ist leicht,
einem Bericht, wie dem des Grafen Arnim vom 8 c., der
drei Wochen voll sich täglich verschiebender Situationen umfaßt,
eine Färbung zu geben, welche wahr scheint, ohne es zu sein.
Die Acten, deren Vorlegung ich dem Auswärtigen Amte
heut aufgebe, gewähren ein abweichendes Bild. Bis zur er-
neuten Zusammenstellung des Inhalts derselben erlaube ich
mir nur über das formale Verfahren des Botschafters eine
ehrfurchtsvolle Bemerkung. Die Disciplin ist im diplomatischen
Dienste gewiß ebenso unentbehrlich, aber viel schwerer zu halten,
als im militärischen, und sie geht verloren, sobald die Formen
derselben fallen. Aus diesem Grunde bitte ich Eure Majestät
allerunterthänigst um die Gnade, den kaiserlichen Botschafter
zunächst anweisen zu wollen, daß er seine amtliche Beschwerde
über seinen Vorgesetzten durch diesen an Eure Mojestät ein-
reicht, damit ich sie Allerhöchstdenselben dienstlich vortrage.
Geschieht dies nicht, so stehe ich mit meinen Untergebenen auf
der gleichen Linie zweier streitenden Parteien. Es würde für
mich nach dem Stande meiner Kräfte nicht möglich sein, neben
den Kämpfen im Landtage und Reichstage, im Ministerium
und mit fremden Cabinetten, gegen sociale Einflüsse und gegen
die Einflüsse der Presse auch noch die dienstliche Autorität, deren
ich zur Führung der Geschäfte bedarf, im Wege der schrift-
lichen Discussion mir zu erkämpfen. So gern ich Eurer Majestät
Dienst auch den Rest meiner Kräfte noch widme, so kann ich
mir doch nicht verhehlen, daß derselbe sehr schnell verbraucht
sein wird, wenn ich unter dem schmerzlichen Gefühle leide, mit
einem Manne, wie Graf Arnim, um Eurer Mojestät Vertrauen
ringen zu sollen, nachdem ich dasselbe so lange Jahre un-
geschmälert besessen und meines Wissens niemals getäuscht