Full text: I. Anhang zu den Gedanken und Erinnerungen. Kaiser Wilhelm I. und Bismarck. (5)

1875 
4. 5. 
— 252 — 
Bei meiner Rückkehr nach Berlin im Spätherbst v. J. 
glaubte ich die Hoffnung für berechtigt halten zu dürfen, daß 
nach längerer schwerer Krankheit und nach einer mehrmonat- 
lichen Beurlaubung unter Gebrauch der Kissinger Brunnencur 
meine Gesundheit sich genügend gekräftigt habe, um den Ge- 
schäften der von Eurer Majestät mir übertragenen Aemter 
wiederum unbehindert vorstehn zu können. Diese Hoffnung 
ging nicht in Erfüllung. Eine kurze Wiederaufnahme meiner 
Geschäfte hat genügt, um mich wiederum von Weihnachten an 
mehre Monate an das Zimmer zu fesseln, so daß ich während 
des ganzen Winters nur einem geringen Theile meiner dienst- 
lichen Obliegenheiten zu genügen vermochte. In dem Glauben, 
hinreichend hergestellt zu sein, bin ich Anfangs April dem 
Bedürfniß gefolgt, Eurer Moajestät Dienst meine pflichtmäßige 
Mitwirkung zu leisten, habe aber nach wenigen Tagen wiederum 
bis jetzt das Bett und das Zimmer hüten müssen. 
Diese Erfahrungen lassen mir keinen Zweifel darüber, 
daß ich eine Wirksamkeit, wie solche von meinem Amte unzer- 
trennlich ist, fernerhin durchzuführen außer Stande bin, und 
daß nach einer vierundzwanzigjährigen Thätigkeit auf dem Felde 
der höheren Politik, von welcher mehr als die Hälfte durch 
die verantwortungsreiche Stellung als erster politischer Rath- 
geber Eurer Majestät ausgefüllt wurde, meine Kräfte nicht 
mehr ausreichen, um den hohen Aemtern, die Eure Majestät 
mir übertragen hat, in gewissenhafter Weise ferner vorstehen 
zu können. Dieselben erheischen ihrer Natur nach einen voll- 
ständigen Verzicht auf Schonung und Ruhe, und auch bei zeit- 
weise längerem Urlaub, wie Eure Majestät ihn mir zu meiner 
Herstellung wiederholt Allergnädigst bewilligt haben, ist es für 
mich nicht möglich, ohne Kenntniß und Theilnahme an den 
Geschäften zu bleiben, so lange mir bevorsteht, daß ich die- 
selben von Neuem zu übernehmen haben werde. Mein Interesse 
an meinen dienstlichen Obliegenheiten, so lange es solche für
	        
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