Full text: I. Anhang zu den Gedanken und Erinnerungen. Kaiser Wilhelm I. und Bismarck. (5)

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Kaiserbund wird unter Eurer Majestät Führung mit Gottes 
Hülfe auch ferner im Stande sein, dem Kaiser Alexander freie 
Bahn und dem übrigen Europa den Frieden zu erhalten. 
Ich werde mich glücklich schützen, wenn ich Eurer Majestät in 
dieser glorreichen Aufgabe wieder mit vollen Kräften dienen 
kann. Noch bin ich leider nicht so weit; wenn auch die un- 
mittelbaren Krankheitserscheinungen seit Kissingen zurückgetreten 
sind, so ist doch meine allgemeine Schwäche jetzt fast größer 
als vor meiner Abreise nach Kissingen. Jede geistige Arbeit 
erregt meine Nerven, so daß der Schlaf mich flieht. Wollte 
ich mich ganz enthalten, so würde ich mit einigen meiner 
Kollegen auf dem Gebiete innerer Gesetzgebung in unheilbaren 
Zwiespalt gerathen. Gesetzentwürfe, die ich der Industrie 
schädlich oder unpractisch halte, entstehn in meiner Abwesenheit, 
und der Kampf dagegen macht mir viel eigne Arbeit; noch mehr 
das Verlangen, in unsern Zoll- und Steuergesetzen und im 
Eisenbahnwesen die Reformen anzubahnen, die ich nothwendig 
glaube, für die ich aber keinen Beistand finde. Ich bin eben 
unter Eurer Majestät Ministern, allenfalls mit Friedenthal, der 
einzige, der vermöge seines Besitzes zugleich zu den „Regirten“ 
gehört und mit diesen empfindet, wo und wie die Schuhe 
drücken, die uns vom grünen Tische der Gesetzgebung her an- 
gemessen werden. Die Minister, ihre Räthe, die Mehrzahl 
der Abgeordneten sind gelehrte Leute, ohne Besitz, ohne Ge- 
werbe, unbetheiligt an Industrie und Handel, außerhalb des 
practischen Lebens stehend; ihre Gesetzentwürfe, überwiegend 
Juristenarbeit, stiften oft Unheil, und die Abgeordneten aus 
dem practischen Leben sind einmal, den Gelehrten gegenüber, 
in Landtag und Reichstag die Minderheit, und dann treiben 
sie leider mehr Politik, als daß sie ihre materiellen Interessen 
vertreten sollten. So kommt es denn, daß ein Gesetzentwurf, 
der die Letztern schädigt, wenn er einmal von den Ministern 
eingebracht ist, durch die Mehrheit der Gelehrten und Beamten 
1877 
11. 8.
	        
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