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1881 Spiegel des Traumes nicht sofort, sondern erst dann wieder
18. 12. auf, wenn der Geist durch Schlaf und Ruhe still geworden
ist. Eurer Majestät Mittheilung ermuthigt mich zur Erzählung
eines Traumes, den ich Frühjahr 1863 in den schwersten
Conflictstagen hatte, aus denen ein menschliches Auge keinen
gangbaren Ausweg sah. Mir träumte, und ich erzählte es
sofort am Morgen meiner Frau und andern Zeugen, daß ich
auf einem schmalen Alpenpfad ritt, rechts Abgrund, links
Felsen; der Pfad wurde schmaler, so daß das Pferd sich wei-
gerte, und Umkehr und Absitzen wegen Mangel an Platz un-
möglich; da schlug ich mit meiner Gerte in der linken Hand
gegen die glatte Felswand und rief Gott an; die Gerte wurde
unendlich lang, die Felswand stürzte wie eine Coulisse und
eröffnete einen breiten Weg mit dem Blick auf Hügel und
Waldland wie in Böhmen, Preußische Truppen mit Fahnen,
und in mir noch im Traume der Gedanke, wie ich das schleunig
Eurer Majestät melden könnte. Dieser Traum erfüllte sich,
und ich erwachte froh und gestärkt aus ihm.
Der böse Traum, aus dem Eure Mojestät nervös und
agitirt erwachten, kann doch nur so weit in Erfüllung gehn,
daß wir noch manche stürmische und lärmende Parlamentssitzung
haben werden, durch welche die Parlamente ihr Ansehn leider
untergraben und die Staatsgeschäfte hemmen; aber Eurer
Mojestät Gegenwart dabei ist nicht möglich, und ich halte der-
gleichen Erscheinungen wie die letzten Reichstagssitzungen zwar
für bedauerlich als Maßstab unfrer Sitten und unfrer poli-
tischen Bildung, vielleicht unfrer politischen Befähigung; aber
für kein Unglück an sich: excès du mal en devient le remede.
Verzeihn Eure Majestät mit gewohnter Huld diese durch
Allerhöchstdero Schreiben angeregte Ferienbetrachtung; denn
seit gestern bis zum 9 Januar haben wir Ferien und Ruhe.
Bismarck.