III.
Bundestagsgesandter v. Schele an Bismarck.
Mein verehrter Freund und Gönner!
Ihre Mission nach Wien, an welche so viele Hoffnungen
und fromme Wünsche sich knüpfen, ist auch von mir freudig
begrüßt: Ich habe darin einen Schritt zur Ausgleichung der
zwischen den beiden deutschen Großmächten bestehenden Zer-
würfnisse erblicken zu dürfen geglaubt. Ich verkenne die außer-
ordentlichen Schwierigkeiten, welche der glücklichen Lösung Ihrer
Aufgabe entgegenstehen, nicht im mindesten. Bei der hohen
Wichtigkeit der Sache für ganz Deutschland werden Sie es
einem treuen Freunde — und zu diesen hoffe ich gezählt zu
werden — nicht als unberufene Einmischung auslegen, wenn
er einige vertrauliche Privatbemerkungen zu Ihrer geneigten
Erwägung hinzufügt. Erlauben Sie mir ganz offen zu reden.
Die handelspolitische Spannung zwischen den Großmächten und
zwischen Preußen und den Darmstädter Coalirten scheint ihren
Höhepunkt erreicht zu haben; eine baldige Beseitigung der-
selben scheint Deutschlands Lage nach innen und außen dringend
wünschenswerth zu machen: sie wurzelt ja wesentlich in der
Frage über Eröffnung von Verhandlungen mit Oesterreich.
Die Lage der Verhältnisse ist folgende:
Schon in den Bundesgesetzen, wie in vielen späteren Er-
klärungen der deutschen Regierungen ist als oberster Grundsatz
„die Erreichung einer allgemeinen deutschen Zoll= und Handels-
einigung“ anerkannt. Oesterreich hat dieses Ziel durch die
(Eröffnung)") seiner Verhandlungen?“) anbahnen wollen und
Preußen dazu eingeladen; letzteres hat abgelehnt. Jetzt wünscht
Oesterreich zu demselben Zweck in Berlin zu verhandeln; es
*) Ergänzung des Herausgebers.
**) Oesterreich hatte für den Jan. 1852 die Regierungen aller Bundes-
staaten zu Verhandlungen über einen Zoll= und Handelsvertrag nach
Wien eingeladen, an denen Preußen sich zu betheiligen ablehnte.
1852
16. 6.