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Sache in Betracht — niemals eine Verpflichtung übernommen, 1854
selbstthätig in diesen Streit einzugreifen. Wir mußten uns E
sagen, daß Preußen und das übrige Deutschland, um die Inte-
grität der Pforte zu schützen, sich in viel ungünstigeren und
schwereren Verhältnissen befände als alle andern betheiligten
Staaten, daß der ganze Streit, welcher um den politischen Ein-
fluß in Constantinopel entstanden, Preußische und Deutsche Inter-
essen nur in so entfernter Weise berühre, daß eine vorschnelle
Betheiligung an dem Kampfe dem Lande Opfer auferlegen
könne, welche mit den möglicher Weise zu erzielenden Vortheilen
nicht im richtigen Verhältnisse ständen. Deshalb ist es in dem
gegenwärtigen Augenblick der Standpunkt einer völlig freien,
nicht einer gebundenen Neutralität, welche bezüglich des that-
sächlichen Auftretens die Regierung im wahren Interesse des
Landes sich anweisen zu müssen für verpflichtet erachtet. Es
soll das keine schwankende und zweifelhafte Neutralität etwa
mit dem Hintergedanken sein, günstige Umstände zur Aufgabe
derselben abzuwarten, sondern eine durch die Interessen des
Landes gebotene. Wir verlassen damit nicht den Boden der
Wiener Protokolle, und wenn deren wesentlicher Zweck von
Haus aus darauf gerichtet war, den Frieden herbeizuführen,
und wenn andere Staaten sich zur Erreichung desselben nach
ihrer besonderen Lage veranlaßt gesehen haben zu den Waffen
zu greifen, so wird es uns nicht im entgegengesetzten Sinne
ausgelegt werden können, daß wir, so lange unsere besonderen
Verhältnisse es gestatten, für die Anbahnung des Friedens eine
Stätte zu bewahren uns bemühen. Wenn wir dabei auf die
Zustimmung aller Staaten rechnen zu können glauben, so sind
es besonders die Rücksichten auf Oesterreich und das übrige
Deutschland, welche uns leiten. Wir sind immer überzeugt,
dabei im Interesse beider zu handeln. Was namentlich Oester-
reich, mit dem wir im vollsten Einverständniß uns befinden,
betrifft, so verhehlen wir uns nicht, daß dasselbe vermöge
Aus Bismarcks Brieswechsel. 11