— 199 —
würde sich ohne Zweifel ruhiger entwickeln, wenn dem Grafen 1854
Buol auch von andern Bundesgenossen die Gewißheit gegeben 25.7.
würde, daß nicht jede Politik Oestreichs Aussicht auf die
Hülfe Deutschlands hat, sondern nur eine solche welche dem
Sinne und Wortlaut des Bündnisses entspricht. Die Aeuße-
rungen eingeweihter Personen, das zusammenhängende System
welches sich in der Bearbeitung der öffentlichen Meinung durch
die vertrautesten Agenten und offiziösen Blätter darstellt,
namentlich aber das Verhalten des Wiener Cabinettes selbst
gegenüber der russischen Antwort, berechtigen zu der Annahme,
daß die östreichische Politik nicht mehr erhaltend und fried-
liebend, sondern ehrgeizig und kriegerisch ist. Die Constellation
zu Erwerbungen ist günstig, die Rüstungskosten sind fort-
geworfen, wenn die ausgestellte Armee nicht genutzt wird; das
Bündniß bietet eine Assecuranz gegen übeln Ausgang, und
darüber hinaus hält man sich fest überzeugt, daß Preußen und
Deutschland im eignen Interesse nöthig finden werden Oestreich
schaffen, daß die bewaffnete Macht Sr. Majestät fremden, der Tendenz
des Bündnisses fern liegenden Zwecken durch dasselbe in keiner Weise
dienstbar gemacht werden kann. Ich lasse mich hier auf eine nähere
Erörterung der uns in dieser Beziehung zur Seite stehenden Vertrags-
bestimmungen nicht ein, weil ich der Ansicht bin, daß eine solche Dis-
cussion, sofern sie nicht zur unerläßlichen Nothwendigkeit wird, besser
unterbleibt. Das aber nehme ich keinen Anstand auszusprechen, daß
Se. Majestät eine außerhalb des Bündnisses stehende Autorität, die über
dessen Auslegung und Bedeutung einen Urtheilsspruch zu fällen habe,
niemals anerkennen wird. Des Königs Majestät werden daher für
die Armee in nächster Zeit diejenige Waffenbereitschaft eintreten lassen,
welche Allerhöchstdieselben unter den jetzigen kritischen Zeiten für geboten
erachten; es wird dies aber nicht wegen der Kluft, die zwischen den
Anerbietungen Rußlands und den Anforderungen der Westmächte be-
steht, und nicht wegen eines etwaigen hierdurch gebotenen activen Vor-
gehens Oesterreichs, sondern nur deshalb geschehen, um in jedem Mo-
mente die Stellung Preußens, sowohl wenn es sich um Erfüllung
vertragsmäßiger Pflichten als um die Wahrung eigener Interessen
handelt, gebührend wahrzunehmen.“