Full text: II. Anhang zu den Gedanken und Erinnerungen. Aus Bismarcks Briefwechsel. (6)

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würde sich ohne Zweifel ruhiger entwickeln, wenn dem Grafen 1854 
Buol auch von andern Bundesgenossen die Gewißheit gegeben 25.7. 
würde, daß nicht jede Politik Oestreichs Aussicht auf die 
Hülfe Deutschlands hat, sondern nur eine solche welche dem 
Sinne und Wortlaut des Bündnisses entspricht. Die Aeuße- 
rungen eingeweihter Personen, das zusammenhängende System 
welches sich in der Bearbeitung der öffentlichen Meinung durch 
die vertrautesten Agenten und offiziösen Blätter darstellt, 
namentlich aber das Verhalten des Wiener Cabinettes selbst 
gegenüber der russischen Antwort, berechtigen zu der Annahme, 
daß die östreichische Politik nicht mehr erhaltend und fried- 
liebend, sondern ehrgeizig und kriegerisch ist. Die Constellation 
zu Erwerbungen ist günstig, die Rüstungskosten sind fort- 
geworfen, wenn die ausgestellte Armee nicht genutzt wird; das 
Bündniß bietet eine Assecuranz gegen übeln Ausgang, und 
darüber hinaus hält man sich fest überzeugt, daß Preußen und 
Deutschland im eignen Interesse nöthig finden werden Oestreich 
schaffen, daß die bewaffnete Macht Sr. Majestät fremden, der Tendenz 
des Bündnisses fern liegenden Zwecken durch dasselbe in keiner Weise 
dienstbar gemacht werden kann. Ich lasse mich hier auf eine nähere 
Erörterung der uns in dieser Beziehung zur Seite stehenden Vertrags- 
bestimmungen nicht ein, weil ich der Ansicht bin, daß eine solche Dis- 
cussion, sofern sie nicht zur unerläßlichen Nothwendigkeit wird, besser 
unterbleibt. Das aber nehme ich keinen Anstand auszusprechen, daß 
Se. Majestät eine außerhalb des Bündnisses stehende Autorität, die über 
dessen Auslegung und Bedeutung einen Urtheilsspruch zu fällen habe, 
niemals anerkennen wird. Des Königs Majestät werden daher für 
die Armee in nächster Zeit diejenige Waffenbereitschaft eintreten lassen, 
welche Allerhöchstdieselben unter den jetzigen kritischen Zeiten für geboten 
erachten; es wird dies aber nicht wegen der Kluft, die zwischen den 
Anerbietungen Rußlands und den Anforderungen der Westmächte be- 
steht, und nicht wegen eines etwaigen hierdurch gebotenen activen Vor- 
gehens Oesterreichs, sondern nur deshalb geschehen, um in jedem Mo- 
mente die Stellung Preußens, sowohl wenn es sich um Erfüllung 
vertragsmäßiger Pflichten als um die Wahrung eigener Interessen 
handelt, gebührend wahrzunehmen.“
	        
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