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1854 sogar daß Oestreich gern die Donauländer wählen würde, wenn
25.7. es zwischen diesen und Galizien optiren müßte. Jene sind
deutscher Sprache und Regirung zugänglicher, als die polnische
Provinz, die Bevölkerung inoffensiv, sie sind reicherer Ent-
wicklung fähig, und passen geographisch und commerciell besser
zu Oestreich, als das außerhalb der Karpaten dem Kaiserstaate
angeklebte Galizien. Letztres ist, bei offnen Grenzen, der russi-
schen Macht und etwaigen polnischen Insurrectionen leicht zu-
gänglich. Die Gefahren welche die polnische Nachbarschaft für
die Ruhe von Ungarn bieten würde, finden ein Gegengewicht
in der Vermehrung der den Magyaren feindlichen Elemente
der Serben und Walachen. Außerdem bietet die Herstellung
Polens an und für sich dem Oestreichischen System Vor-
theile:
1. Preußen wird geschwächt und in Schach gehalten.
2. Die Gefahr des Panslavismus hört auf, wenn zwei
mächtige Slavenstaaten verschiedner Religion und Na-
tionalität bestehn.
3. Europa erhält einen wichtigen Staat rein katholischer
Confession mehr.
4. Polen, unter Oestreichs Hülfe hergestellt, wird vor der
Hand Oestreichs sichrer Verbündeter.
5. Die Herstellung Polens bietet Oestreich vielleicht die
einzige dauernde Garantie gegen wirksame Vergeltung
von Seiten Rußlands, sobald die italiänischen Ange-
legenheiten Streit zwischen Oestreich und Frankreich
herbeiführen, oder ersteres sonst wie in Verlegenheit
kommt. Schlimmsten Falls würde das Wiener Cabinet
sich mit dem Vorschlage helfen Polen von Neuem zu
theilen, ohne die Donauländer dann aufzugeben. Ich
gehe nicht soweit zu behaupten, daß Oestreich die Her-
stellung Polens freiwillig betreiben werde; aber wenn
die Westmächte ernstlich darauf drängen, so wird es sich