Full text: II. Anhang zu den Gedanken und Erinnerungen. Aus Bismarcks Briefwechsel. (6)

— 202 — 
1854 sogar daß Oestreich gern die Donauländer wählen würde, wenn 
25.7. es zwischen diesen und Galizien optiren müßte. Jene sind 
deutscher Sprache und Regirung zugänglicher, als die polnische 
Provinz, die Bevölkerung inoffensiv, sie sind reicherer Ent- 
wicklung fähig, und passen geographisch und commerciell besser 
zu Oestreich, als das außerhalb der Karpaten dem Kaiserstaate 
angeklebte Galizien. Letztres ist, bei offnen Grenzen, der russi- 
schen Macht und etwaigen polnischen Insurrectionen leicht zu- 
gänglich. Die Gefahren welche die polnische Nachbarschaft für 
die Ruhe von Ungarn bieten würde, finden ein Gegengewicht 
in der Vermehrung der den Magyaren feindlichen Elemente 
der Serben und Walachen. Außerdem bietet die Herstellung 
Polens an und für sich dem Oestreichischen System Vor- 
theile: 
1. Preußen wird geschwächt und in Schach gehalten. 
2. Die Gefahr des Panslavismus hört auf, wenn zwei 
mächtige Slavenstaaten verschiedner Religion und Na- 
tionalität bestehn. 
3. Europa erhält einen wichtigen Staat rein katholischer 
Confession mehr. 
4. Polen, unter Oestreichs Hülfe hergestellt, wird vor der 
Hand Oestreichs sichrer Verbündeter. 
5. Die Herstellung Polens bietet Oestreich vielleicht die 
einzige dauernde Garantie gegen wirksame Vergeltung 
von Seiten Rußlands, sobald die italiänischen Ange- 
legenheiten Streit zwischen Oestreich und Frankreich 
herbeiführen, oder ersteres sonst wie in Verlegenheit 
kommt. Schlimmsten Falls würde das Wiener Cabinet 
sich mit dem Vorschlage helfen Polen von Neuem zu 
theilen, ohne die Donauländer dann aufzugeben. Ich 
gehe nicht soweit zu behaupten, daß Oestreich die Her- 
stellung Polens freiwillig betreiben werde; aber wenn 
die Westmächte ernstlich darauf drängen, so wird es sich
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.