Full text: II. Anhang zu den Gedanken und Erinnerungen. Aus Bismarcks Briefwechsel. (6)

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1854 Alle diese mittleren Staaten (vielleicht mit Ausnahme von 
26.7. Baden) sind naturgemäß Feinde Preußens, weil sie in ihm 
ihren dereinstigen Verschlinger erkennen, abgesehen noch von 
andern Motiven des Neides der Mißgunst und historischen 
Reminiscenzen; diese Feindschaft wacht unfehlbar, wir mögen 
noch so liebenswürdig sein und uns benehmen wie wir wollen, 
wieder auf, sowie ihre aus dem Gefühle ihrer Schwäche her- 
kommende Furcht beseitigt ist, sowie sie den jetzt unter ihren 
Füßen schwankenden Boden wieder fest fühlen. Es sind nun 
nur zwei Fälle möglich, entweder ein solcher Zustand tritt, ohne 
daß es zu großen politischen Katastrophen kommt, wieder ein, 
dann wird auch der Abfall von uns nicht auf sich warten lassen, 
oder es ereignet sich das Gegentheil, es kommt zu einem all- 
gemeinen Kriege, wobei die Kräfte der verschiedenen Staaten 
in großem Maaßstabe angestrengt werden, dann gehen dieselben 
unfehlbar ihrem Untergange entgegen. Ein Kurhessischer, ein 
Darmstädter, ein Königlich Sächsischer patriotischer Krieg gehört 
zu den Unmöglichkeiten, es muß dann mit den Dynastien noth- 
wendig eine Aenderung eintreten; welcher Art diese sein wird, 
das ist schwer vorher zu sehen und wird von den Ereignissen 
zum Theil wohl auch von unserm Verhalten abhangen. Wenn 
wir uns aber herbeilassen wollten, für den Fortbestand der 
Staaten in ihren jetzigen Verhältnissen gewisse Garantien zu 
übernehmen, so würden wir uns, das ist meine feste Ueber- 
zeugung, nicht bloß zu etwas für uns möglicher Weise Nach- 
theiligem, sondern auch zu Unmöglichem verpflichten. Deshalb 
sehen jene Staaten so ängstlich nach Rußland, weil sie das 
Gefühl ihrer Unfähigkeit aus eigener Kraft zu existiren im 
Leibe haben. Ich bin weit entfernt, Haugwitzsche Politik“) an- 
rathen zu wollen, aber ich meine, daß wie die Hitze der letzten 
*) D. h. Anschluß an Frankreich zur Lösung der deutschen Frage 
im preußischen Sinne.
	        
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