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reich weder Lust noch Muth, und darauf bestehen, hätte eben
geheißen die Sache zum Bruche treiben. Anstatt keiner bestimmten
Concession schien es anständiger, den Act lieber als eine Libera-
lität Preußens, was er wirklich ist, hinzustellen. Wirklich er-
langt aber haben wir doch Folgendes:
1) Die Oesterreichische Geheime Depesche, welche nun ge-
wisser Maaßen unser Eigenthum wird, und auf welche ein
eigenhändiger Brief des Kaisers sich besonders bezieht).
2) Oesterreich hat vor dem Bundesbeschlusse den Zusatz-
Artikel mit uns gezeichnet und damit anerkannt, daß wir
mehr leisten als wozu wir durch den Aprilvertrag verpflichtet
sind, daß wir aber dieses Mehr uns nicht durch willkürliche
Auslegungen Oesterreichs oder Bundesbeschlüsse auflegen lassen,
sondern uns dazu durch selbstständige Verträge engagiren, was
für alle Zukunft wichtig ist.
3) Wir haben sowohl Oesterreich als den Westmächten die
Ueberzeugung gegeben, daß Ersteres bei uns eine Stütze finden
kann, also nicht nothwendig an die letzten gewiesen ist. Gegeben
haben wir dafür die Verpflichtung zu einer Handlung, die wir,
so lange wir nicht im Kriege mit Oesterreich, doch kaum würden
haben unterlassen können, eine Verpflichtung, mit welcher Oester-
reich allenfalls Mißbrauch treiben kann, welche wir aber doch
immer mehr oder weniger in der Hand haben, denn die Be-
urtheilung darüber, was ein Angriff ist, wird doch immer in
unserer Hand sein, auch wird die Executions-Vollstreckung zu
unserer Heranziehung namentlich dann schwierig sein, wenn
die Nothwendigkeit eintritt. Ich bilde mir durchaus nicht ein,
daß wir mit unserem Artikel Oesterreich gewonnen oder für
alle künftigen Fälle ehrlich gemacht haben, allein wir haben
den vielleicht anbrüchigen Faden, der uns zusammenhielt, doch
in Etwas verstärkt und haben gleichzeitig dem Russischen Cabinet
*) Bgl. Gerlachs Denkwürdigkeiten II, 248 f.
1854
60. 11.5