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105.
O. v. Arnim an Bismarck.
Berlin den 6. Dezember 1854.
Lieber Otto.
1854 Angesichts der folgenschweren Entschließungen, die wir bald
6. 12, werden fassen müssen, frage ich bei Dir an, ob Du es nicht
möglich machen kannst, unter irgend einem Vorwande etwa als
Mitglied der Ersten Kammer auf einige Zeit hieher zu kommen.
Ich glaube, es ist die ganze Kälte und nüchterne Berechnung
eines klaren Verstandes, der von allen Sympathien und Anti-
pathien absieht, erforderlich, um uns aus der Lage glücklich
heraus zu führen, in die wir gerathen und die verwickelter wie
je ist. Hier wirst Du gewiß viel Gutes stiften, manches Böse
verhindern können, in Frankfurt höchstens das Letztere; komme
daher, wenn Du irgend kannst, und zwar bald, ehe es zu
spät ist.
In der Zweiten Kammer, in der die Rechte dank dem
Ministerio für die rechtzeitige Entnahme einer großen Anzahl
ihrer Mitglieder zur Bildung der Ersten Kammer, in glänzender
Minorität ist, hat Vincke einen Antrag gestellt, die Thronrede
durch eine Adresse zu beantworten. Wie dieselbe gefaßt werden
wird, läßt sich leicht denken, denn ich theile nicht die Meinung
Derer, welche glauben, es sei überhaupt die ganze Adresse noch
zu hintertreiben"). Von allen Seiten erhält somit die Regie-
rung Anstoß, einen festen Entschluß zu fassen, gebe Gott einen
glücklichen.
Grüße Nanne herzlich von
Deinem
treuen Schwager
Arnim.
*) Der Antrag Vincke auf Erlaß einer Adresse wurde schließlich
abgelehnt.