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die den größten Teil des sogenannten Privatrechtes ausfüllen,
unterscheiden sich in bezug auf das Herrschaftsmoment durch
nichts von jenen Verhältnissen, welche die heutige Theorie als
spezifische Herrschaftsverhältnisse zwischen Staat und Indivi-
duum anerkennt und aus diesem Grunde dem öffentlichen
Rechte zuordnet. Wenn die Theorie des öffentlichen Rechtes
die spezifischen Erscheinungsformen der staatlichen Herrscher-
gewalt im einseitigen Befehl, den zu respektieren der Unter-
tan rechtlich verpflichtet ist, und dem körperlichen Zwang
erblickt, den :taatliche Organe unter bestimmten Voraus-
setzungen gegen Untertanen auszuüben berechtigt, ja ver-
pflichtet sind (Verhaftung, Strafvollzug, zivilgerichtliche Exe-
kution usw.), so muß demgegenüber hervorgehoben werden,
daß auf dem Gebiete des Privatrechtes der einseitige Befehl
die Rechtswirkung der Gehorsamspflicht haben kann und daß
auch auf dem Gebiete des Privatrechtes die Ausübung unmittel-
baren körperlichen Zwanges gegen einen andern Inhalt privater
Pflichten und Rechte eines Untertanen sein kann: das Züch-
tigungsrecht des Vaters gegenüber seinen Kindern, das Recht
der Selbstpfändung und ähnliches. Im übrigen sei bemerkt,
daß dort, wo es sich um die Ausübung körperlichen Zwanges
handelt, von einem Rechtsverhältnis im Sinne der herrschenden
Lehre gar nicht die Rede sein kann; denn solches Rechtsver-
hältnis setzt die materielle Beziehung zwischen zwei Rechts-
subjekten voraus. Eine solche ist aber bei Ausübung körper-
lichen Zwanges gar nicht gegeben, hier ist nur das Verhältnis
eines Rechtssubjektes zu einem Objekt vorhanden; der vom
Staate mit Gewalt Verhaftete, der vom Staat mit Gewalt
seiner Freiheit beraubte Sträfling ist als solcher, d. h. in Be-
ziehung zu dem seine Gewalt äußernden Staat nicht Rechts-
subjekt, weil nicht Subjekt von Pflichten oder Rechten, son-
dern Rechtsobjekt, d. h. Gegenstand der Gewaltäußerung. Ver-