— 411 —
243.
Kronprinz Friedrich Wilhelm an Bismarck.
Misdroy 1. August 1867.
So oft ich die Lage unseres Staates für ernst gehalten 1867
habe, bin ich zu Ihnen gekommen, um Ihnen meine Ansichten 1.8.
auseinanderzusetzen und die Ihrigen zu hören. Die gegen-
wärtigen Verhältnisse halte ich für recht gespannt und richte
deshalb diese Zeilen an Sie mit der Bitte, mir eine Erwiede-
rung zukommen zu lassen.
Nach allem was ich lese und höre, wird es mir immer
klarer, daß wir das Vertrauen der nationalen Partei verlieren,
daß dies namentlich in den einverleibten Ländern der Fall
ist und daß Süddeutschland weniger wie je Sympathien für uns
hegen kann. Wir verlieren unser Ansehen, zu dem uns die
Siege von 1866 verholfen hatten, und leisten den Intriguen die
uns umgeben und ebenso in Frankreich wie in Oesterreich und
auch in Dänemark gesponnen werden, willkommenen Vorschub.
Im Innern des Landes wächst die Unzufriedenheit über
die Maßregeln Ihrer Collegen Eulenburg und Lippe, wozu
namentlich die Verfolgung von Leuten wie Twesten und Lasker
beiträgt. Was jenen Beiden während der Reichstags-Sitzungen
zu verdanken ist, wissen Sie ebenso genau wie ich, und kann
ich nicht verstehen, was es uns nützen soll, derartige Personen
zu maßregeln und zu verletzen.
In Hannover kommt zu der ohnehin erbitterten Stimmung
neue Gereiztheit über Justiz-Maßregeln, wie auch darüber,
daß die Königin vor ihrer Abreise persönlich gekränkt worden
sein soll.
In Hessen ist die Behandlung der Frage des Staats-
Schatzes, der Ersatz älterer Beamten durch junge Landräthe
Gegenstand vielfacher lauter Klagen.