Full text: II. Anhang zu den Gedanken und Erinnerungen. Aus Bismarcks Briefwechsel. (6)

1867 
1. 8. 
— 412 — 
In Frankfurt beklagt man sich über fortgesetzten Mangel 
an Rücksicht und über finanzielle Bedrückung der Stadt. 
Wie viel an diesen Vorwürfen Wahres, wieviel Ueber- 
treibung sein mag, bin ich nicht im Stande gründlich zu erörtern. 
Läugnen läßt sich aber nicht, daß in den Kreisen, die uns zu- 
gethan waren, und bei denen wir Stützen gefunden hatten, 
ein entfremdender Umschwung eingetreten ist, ja man hört viel- 
fach sagen, daß es unerklärlich sei, warum nicht die neuen 
Landestheile sofort incorporirt wurden, statt eine einjährige 
königliche Dictatur über sie zu verhängen, die jetzt in Willkür 
ausartet und einschneidende Maßregeln aller Art vollzieht, 
welche den schlechtesten Eindruck machen. 
Wie unzufrieden die Stimmung in Schleswig-Holstein 
bleibt, ist Ihnen ebenso bekannt wie auch der sich so häufig 
wiederholende Vorwurf, „daß es Preußen an organisatorischem 
Talente mangele“. Endlich hört man vielfach sagen, daß die 
Anerkennung berechtigter Eigenthümlichkeiten, die man mit 
schonender Hand kundgeben wollte, zur leeren Phrase geworden 
sei, da nach kaum einem Jahre die Behandlung durchaus fehler- 
haft betrieben werde, so daß Preußen sich völlig discreditire. 
Was den Gang der Politik nach Außen betrifft, so sind 
Sie besser unterrichtet als ich. Die französische Regierung mag 
die Absicht gehabt haben, die Depesche über Nord-Schleswig 
abzuschwächen, ihren beunruhigenden Effect hat besagtes Acten- 
Stück wenigstens nicht verfehlt, und ich komme auf mein altes 
Themga zurück, warum haben wir nicht den Gränzstrich gezogen? 
Um noch einmal auf Ihre Collegen zurückzukommen, muß 
es Ihnen doch erinnerlich sein, daß Sie seit dem Juli vorigen 
Jahres die Minister des Innern und der Justiz als schädlich 
und unfähig bezeichneten. 
Mehr als je ist jetzt das Unheil, welches durch genannte 
Minister gestiftet ward, zu Tage getreten, nachdem selbst das 
Herrenhaus einsehen mußte, daß sich nichts zur Vertheidigung
	        
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